Mojib Latif will nicht mit Fritz Vahrenholt diskutieren: Dann eben hier !

Kürzlich wäre es in Osnabrück bei einer Veranstaltung des Verbandes kommunaler Unternehmen um ein Haar zu einem extremklimatischen Aufeinandertreffen von Mojib Latif und Fritz Vahrenholt gekommen. Aus bestimmten Gründen traten die beiden dann aber doch um einen Tag versetzt dort auf, so dass der Schlagabtausch schließlich schriftlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) stattfinden musste. Die Frage muss erlaubt sein: Wieso verweigert sich Latif eigentlich der wichtigen Diskussion? Die NOZ hakte bei Vahrenholt nach und führte hierzu ein längeres Interview, das am 11.9.2012 erschien (Auszug):

Klimaforscher Mojib Latif, der ebenfalls beim VKU zu Gast ist, will nicht mit Ihnen reden. Ein Vorwurf: Sie bilanzierten kurzfristige Temperaturentwicklung, nicht langfristige Klimatrends. Berechtigte Kritik?

Zur Kurzsichtigkeit: Vor zwölf Jahren hat Herr Latif gesagt, Winter mit starkem Frost und viel Schnee wird es in unseren Breiten nicht mehr geben. Wissenschaftlich hat er publiziert, dass wir in der zweiten Dekade eine Abkühlung bekommen. Da hat er recht! Fakt ist, dass es seit 1998 nicht wärmer geworden ist. Nur weil dies erst seit 14 Jahren der Fall ist, wird gesagt, das habe mit Klima nichts zu tun. Schauen Sie sich doch mal die CO2-Kurve an: Seit 1998 sind jedes Jahr rund drei Prozent mehr CO2 ausgestoßen worden; dennoch ist es nicht wärmer geworden. Dafür gibt es doch Gründe. Da müssen die traditionellen Klimaforscher mal erläutern, woran das liegt. Es hat damit zu tun, dass wir ozeanische Zyklen haben, die für 20 bis 30 Jahre zur Abkühlung führen. Hinzu kommt als Ursache die sich abschwächende Sonne. All das kann man doch nicht ignorieren.

Gegen Sie richtet sich der Vorwurf, Sie seien Strommanager, aber kein Klimaforscher. Publiziert in einem Fachmagazin hätten Sie auch noch nicht. Warum eigentlich?

Der Vorwurf ist doch an den Haaren herbeigezogen. Herr Pachauri, immerhin der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, ist Eisenbahningenieur. Warum darf der uns allein erzählen, wie er Klimaforschungsergebnisse interpretiert? Ich bin zwar kein Klimaforscher, aber doch Chemieprofessor und nehme das gleiche Recht in Anspruch.

Forscher widersprechen Ihrer These der sich abschwächenden Sonne. Die Sonne habe lediglich einen Kühleffekt von 0,06 bis maximal 0,3 Grad Celsius. Was entgegnen Sie?

Diese Forscher sollten uns dann mal erklären, wie die Kleine Eiszeit vor 350 Jahren und wie die kalte, dunkle Zeit der Völkerwanderung entstanden ist. Wodurch ist denn einst eine Abkühlung von ein bis zwei Grad ausgelöst worden – und das alle tausend Jahre, und zwar weltweit? Ohne dass die Sonne damit etwas zu tun hat? Wer soll das denn sonst gewesen sein? Das CO2 kann ja nicht die Ursache gewesen sein. Die Behauptung, erst der Mensch mit seinem CO2-Ausstoß sei entscheidend für die Erderwärmung, soll den Einfluss der Natur auf den Klimawandel verschleiern. Bester Beleg ist doch die E-Mail-Affäre vor drei Jahren. Was habe ich von Forschern zu halten, die für die Öffentlichkeit Teilergebnisse so hinbiegen, damit daraus eine politische Botschaft konstruiert werden kann?

Empfinden Sie noch Groll gegen die Universität Osnabrück, die Sie Anfang des Jahres ausgeladen hat?

Ich komme gerne nach Osnabrück und finde es schön, dass der Verband kommunaler Unternehmen mich jetzt eingeladen hat. Denn dann kann sich jeder selbst ein Bild von meinen Thesen machen. Ich fand das damals seitens der Uni Osnabrück schon ein starkes Stück, dass eine deutsche Universität mich zunächst einlädt, um die Thesen vorzutragen, dann aber auf Druck kneift und mich auslädt. Dafür werde ich dann eingeladen an die Universität Oslo, die Royal Society in London, nach Wien oder Bern. Mit dem Denken und Handeln der Universitätsleitung in Osnabrück hätten sich die Erkenntnisse eines Alfred Wegener nie durchgesetzt. Er wurde verlacht, verschrien, ausgeladen. Leider erst nach seinem Tod ist seine Theorie der Kontinentalverschiebung anerkannt worden. Ich hoffe, dass ich noch so lange lebe, bis die Universität sich für diesen Maulkorb entschuldigt.

Einen Tag später bekam dann Mojib Latif in derselben Zeitung die Möglichkeit zur Gegenrede (Interview vom 12.9.2012). Dies ist zu begrüßen, da es die Möglichkeit der Diskussion eröffnet. In seinem Beitrag sagt Latif u.a. einige sehr vernünftige Dinge (z.B. „Biosprit E10 ist Blödsinn“). Gerne wollen wir die Gelegenheit nutzen und die Diskussion an dieser Stelle fortführen. Denn einige von Latifs Äußerungen können so nicht unkommentiert stehenbleiben. Im Folgenden bringen wir Auszüge aus Latifs Interview (linke Spalte der Tabelle), auf die wir genauer eingehen wollen (rechte Spalte).

 

Latif im Interview Kommentierung (Die kalte Sonne)
NOZ: Herr Latif, trägt eher die Sonne zur Erderwärmung bei oder das Treibhausgas Kohlendioxid, CO2?
LATIF: Es ist ein Mix aus beidem. Klar ist, dass der Mensch über die Hälfte des Temperaturanstiegs seit Beginn der Industrialisierung zu verantworten hat.
Eine außerordentliche gute Frage, die die NOZ hier stellt. Denn es geht in der Tat um einen Mix von Klimafaktoren, ganz genau. Überraschenderweise weicht Latifs hier geäußerte Einschätzung nur wenig von der in unserem Buch „Die kalte Sonne“ geäußerten Sichtweise ab: Latif sagt, mindestens die Hälfte der Erwärmung sei durch den Menschen verursacht. Wir nehmen in der „kalten Sonne“ an, dass höchstens die Hälfte anthropogen bedingt ist. Hiermit positioniert sich Latif übrigens eindeutig gegen die gängige Lehrmeinung des Weltklimarats, der in seinem letzten Klimazustandsbericht den natürlichen Klimafaktoren lediglich Einfluss im einstelligen Prozentbereich zubilligte. In der wichtigen Größe des sogenannten Strahlungsanstriebs, einem Maß für die Klimawirksamkeit verschiedener Klimaeeinflussgrößen, liegen zwischen CO2 (1,66 W/m2) und der Sonne (0,12 W/m2) in der offiziellen IPCC-Version ganze Welten. Es ist daher vollkommen unverständlich, warum Latif so leidenschaftlich gegen „Die kalte Sonne“ ankämpft. Siehe auch unser Blogartikel „Breaking News: Prominenter deutscher Klimawissenschaftler bestätigt zwei Grundannahmen des Buches `Die kalte Sonne´ “.
LATIF: Dass es seit 1998 keinen weltweiten Temperaturrekord gegeben hat, ist eine Binsenweisheit. Das wäre schön. Hören Sie sich mal in Ihrem Bekanntenkreis um. Jede Wette, dass mindestens die Hälfte davon sagt, dass es in den letzten 14 Jahren natürlich wärmer geworden sei. Wo könnte diese weit verbreitete Fehleinschätzung herrühren? IPCC-nahe Wissenschaftler haben den unerwarteten Temperaturstopp des letzten Jahrzehnts freiwillig zu wenig in der Öffentlichkeit kommuniziert. Ein gutes Beispiel für ein solches bewusstes Verschleiern ist Paul Becker, Vizepräsident des Deutsche Wetterdienstes, von dem wir im Mai 2012 in der der Frankfurter Rundschaulesen konnten:Weltweit ist die jährliche Durchschnittstemperatur in den vergangenen 130 Jahren um 0,7° Grad Celsius gestiegen. „Der langfristige Trend zu steigenden Temperaturen ist ungebrochen“, sagt Paul Becker.
LATIF: Dass es den Zusammenhang zwischen CO2 und Temperatur gibt, wird sofort klar, wenn man das ganze 20. Jahrhundert betrachtet. Wirklich? Genau das Gleiche könnte man doch auch über die Sonne sagen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich das Sonnenmagnetfeld mehr als verdoppelt. Warum erwähnt Latif dies nicht? Will er die klimatisch nicht so versierten Leser mit einem fragwürdigen Trick auf seine Seite ziehen? Er sollte doch eigentlich wissen: Korrelation ist nicht gleich Kausalität.
NOZ: Was werfen Sie Vahrenholt vor?
LATIF: Ich werfe ihm gar nichts vor, schließlich leben wir in einer Demokratie. Er kann schreiben, was er will. Ich bewege mich auf dem Boden der Wissenschaft.
Gerade an dieser vermeintlichen Wissenschaftlichkeit bestehen jedoch mittlerweile ernsthafte Zweifel. Der von Latif gerne vorgebrachte CO2-Beweis in der mittleren Atmosphäre entpuppt sich bei näherem Hinsehen beispielsweise als äußerst abenteuerlich. Neue Studien zeigen, dass die von Latif zitierten Temperaturveränderungen vielmehr mit dem Ozon als mit CO2 zu tun haben (siehe unsere Blogartikel „Keine guten Nachrichten für Mojib Latif: Neue Studie im Journal of Geophysical Research hinterfragt den stratosphärischen CO2-Fingeradruck“ und „CO2-Fingerabdruck löst sich in Luft auf: Neue Studie belegt Ozonwirkung auf Temperatur in der mittleren Atmosphäre“).
NOZ: Vahrenholt meint, die Sonne habe entscheidenden Einfluss auf die Erderwärmung. Stimmt das?
LATIF: Ich kenne keine wissenschaftliche Arbeit, die zeigen würde, dass man ohne den Faktor Mensch auch nur annähernd die Erderwärmung im 20. Jahrhundert erklären könnte.
Haben Sie`s auch bemerkt? Latif beantwortet die Frage gar nicht richtig. Korrekt hätte die Antwort lauten müssen: „Ja, die Paläoklimatologie hat gezeigt, dass die Sonne langfristig stets einen signifikanten Einfluss auf das Klima der vergangenen 10.000 Jahre ausgeübt hat“ (einige Belege z.B. hier). Aber was macht Latif? Er kann es nicht über die Lippen bringen und spricht lieber über sein Lieblingsthema, nämlich die anderen 50% des Klimamix. Was ist von dieser Gesprächsstrategie bloß zu halten?
NOZ: Sie beide gehen sich aus dem Weg gehen. Warum kein Streitgespräch?
LATIF: Ich streite gern und kontrovers, aber mit Wissenschaftlern – also Menschen, die in Fachzeitschriften publizieren. Warum sollte ich mit einem Laien streiten?
Das ist schon ein starkes Stück. Die Klimawissenschaften bestehen aus einer Vielzahl von Einzeldisziplinen, z.B. Physik, Chemie, Meteorologie, Ozeanographie, Geowissenschaften. Einen „Klimawissenschaftler“ der das gesamte fachliche Spektrum abdecken würde gibt es nicht. Das gilt im Übrigen auch für Mojib Latif, der „nur“ Meteorologie studiert hat und später im Fach Ozeanographie promovierte. Eine Vollausbildung in Chemie (wie Vahrenholt) oder der Geologie (wie Lüning) hat er nicht vorzuweisen. Wie kann sich Latif dann überhaupt über die Klimawirkung der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende äußern? Dies fällt doch ganz klar in den Bereich der Geologie. Nein, Latifs engstirnige Sichtweise ist äußerst fragwürdig. In den Klimawissenschaften werden interdisziplinär denkende Naturwissenschaftler benötigt. Die Autoren der „kalten Sonne“ besitzen ausgiebige Erfahrungen mit der Erstellung fachlicher Synthesen und dem kritischen Hinterfragen von Basisdaten und Interpretationen. Als unvorbelastete Beobachter können die Autoren zudem von ausserhalb einen frischen Blick auf die verfahrene Klimadiskussion werfen. Das sollte auch Latif anerkennen.
NOZ: Wie steht es ums Klima?
LATIF: Das Arktiseis hat sich so weit zurückgezogen, wie es noch nie der Fall war, seitdem Satelliten im Orbit kreisen, also seit Ende der 1970er-Jahre.
Da war es wieder, das an dieser Stelle vollkommen unangebrachte Wörtchen „nie“. Siehe unseren kürzlichen Blogartikel „Noch nie wurde eine sprachliche Nachschulung so dringend benötigt wie heute: Journalistische Panne bei der Berichterstattung zum arktischen Meereis“.
NOZ: Ist Biosprit sinnvoll?
LATIF: Es ist ein Skandal, dass das eingeführt wurde – übrigens gegen die ausdrückliche Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung. Bei Biosprit handelt es sich um eine verdeckte Subventionierung der Automobilindustrie. Sie brauchte auf diese Weise ihren Flottenverbrauch nicht zu senken. E10 ist Blödsinn. Stattdessen brauchen wir verbrauchsärmere Autos und weniger Verkehr.         NOZ: Wie bewerten Sie Biogas?
LATIF: Auch das ist teilweise ein Holzweg. Man darf nicht Nahrungsmittel für Energie hergeben. Nicht überall, wo Bio draufsteht, ist Bio drin.
Einverstanden. Siehe unseren Blogartikel „Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt den Ausbau der Bioenergie zu stoppen
NOZ: Taugen die Weltklimakonferenzen etwas?
LATIF: Die weltweiten Probleme sind so nicht zu lösen. Die Vereinten Nationen sind wie ein zahnloser Tiger. Das Gleiche gilt für die Klimakonferenzen. Da wird immer alles Mögliche angedacht, aber der weltweite CO2-Ausstoß wächst dennoch. Solche Probleme sind nur ökonomisch zu lösen; notwendig sind Erfolgsmodelle, die von anderen Ländern kopiert werden.
Siehe unseren Blogartikel „CO2-Emissionen in der EU, den USA und Japan gefallen: Überholt China schon dieses Jahr die EU bei den pro-Kopf-CO2-Emissionen?
LATIF: Deutschland hat seit 1990 den CO2-Ausstoß um rund 25 Prozent reduziert. Die USA haben im gleichen Zeitraum ihren CO2-Ausstoß um mindestens fünf Prozent erhöht. Hier scheint Latif nicht ganz auf dem Laufenden zu sein. Die USA haben sich durch die Erschließung großer Schiefergasvorkommen weitgehend von Erdgasimporten unabhängig gemacht und ersetzen Kohle durch Erdgas, was sich in den CO2-Emissionsminderungen der letzten Jahre niederschlägt. Dazu kommt noch der Rückgang des ökonomischen Wachstums. Was niemand für möglich gehalten hatte – und kaum jemand in Europa weiß: In den Vereinigten Staaten ist der Kohlendioxidausstoß aufgrund dieser Entwicklung mittlerweile auf den niedrigsten Wert der gesamten letzten 20 Jahre gefallen. Der Anteil der USA an den Gesamtemissionen der Welt geht immer weiter zurück und beläuft sich nunmehr auf 16%.
LATIF: Auch die Befürchtung, Deutschland sei zum Import von Atomstrom aus Nachbarländern gezwungen, hat sich nicht bewahrheitet. Deutschland hat immer noch Strom exportiert. Hierzu lesen wir auf Energie-Fakten.de:Stimmt es, dass Deutschland trotz „Energiewende“ weiter Strom exportiert? Jein. Deutschland ist seit 2002 Netto-Exporteur von elektrischer Energie. Auch im Jahr 2011, in dem am 15. März das Moratorium für die älteren Kernkraftwerke verkündet wurde, ist noch ein Überschuss von rund 6 TWh erzielt worden. Aber dieser Überschuss war nicht nur wesentlich kleiner als im Vorjahr (17,7 TWh). In diesem Jahr ist die wirtschaftliche Bilanz dieses Stromaustausches mit unseren Nachbarn erstmals negativ geworden. Denn wir exportieren nun billigen Überschussstrom aus Erneuerbaren Energien und müssen teuren Strom zu Spitzenbedarfszeiten einführen. Blickt man also nur auf die Kilowattstunden, so hat Deutschland tatsächlich noch einen, allerdings kleiner gewordenen Exportüberschuss, bezieht man aber die Kosten ein, so ist unsere Export-Import-Bilanz durch die „Energiewende“ negativ geworden.

 

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