Vermutlich Weltrekord: Australische Temperaturrekonstruktion verbrachte 4 Jahre im Begutachtungsprozess

Heute wollen wir uns mit einer etwas seltsamen Geschichte beschäftigten. Bereits vor vier Jahren (2012) hatte ein vierköpfiges Forscherteam um Joëlle Gergis von der University of Melbourne versucht, ein Paper zur Temperaturgeschichte des letzten Jahrtausends der Region von Australien, Neuseeland und Papua-Neuguinea und Indonesien im Journal of Climate zu publizieren. Dabei präsentierten die Forscher eine Temperaturkurve mit deutlich ausgeprägter Mittelalterlichen Wärmeperiode, Kleiner Eiszeit und Moderner Wärmeperiode. Aufgrund von Fehlern bei der statistischen Bearbeitung zogen die Autoren das Paper jedoch nach kurzer Zeit wieder zurück. Wir hatten über den Fall hier im Blog ausführlich berichtet (siehe „Kontroverse um neuen australischen „Hockey Stick“: Autoren ziehen Paper zurück„).

In der Folge entbrannte ein emotional geführter Streit über die Frage, wer den Fehler wohl als erstes bemerkt hatte. Steve McIntyre hatte das Paper seinerzeit in seinem Blog Climate Audit auf Herz und Nieren geprüft und den Fehler publik gemacht. Die Autoren um Gergis hingegen behaupten nun, sie selber hätten den Fehler bereits zuvor identifiziert. Wie auch immer. Die Autoren behielten das Manuskript im Rennen und durchliefen zwischen 2012 und 2016 neun Revisionsrunden mit insgesamt 21 Einzelgutachten. Schlussendlich wurde das Paper am 10. Juli 2016 vom Journal of Climate in seiner finalen Form veröffentlicht.

In einem Internetbeitrag auf The Conversation schrieb sich Gergis am Tag der Veröffentlichung ihren Frust von der Seele. Selbstkritik findet man in dem Text jedoch seltsamerweise nicht. Gegenspieler Steve McIntyre schlug am 21. Juli 2016 in seinem Blog zurück (zuvor bereits Izuru hier und hier) und warf der Gergis-Gruppe erneut eine verdrehte statistische Bearbeitung vor. Sicher eine legitime Diskussion. Jedoch wird der Sturm im Wasserglas schnell klar, wenn man sich die Datenbasis des Gergis-Artikels näher anschaut:

Abbildung 1: Datenbasis der australasiatischen Temperaturrekonstruktion. Aus Gergis et al. 2016.

 

Entscheidend ist die Spalte „Start Year“. Lediglich drei Datenreihen reichen in die Mittelalterliche Wärmeperiode (MWP) zurück, was überaus dürftig ist. Mit den entsprechenden Fallstudien haben wir uns bereits in einem Übersichtsartikel zur MWP in Australien und Ozeanien beschäftigt (siehe „Evidence of the Medieval Warm Period in Australia, New Zealand and Oceania„).

Mt. Read in Neuseeland haben wir als Nr. 9 in unserem Übersichtsartikel vorgestellt. Eine schöne Datenreihe. Da es sich um Baumringe handelt, darf man den starken Anstieg im 20. Jahrhundert nicht überbewerten. Eine quantitative Aussage über den Grad der Erwärmung im Vergleich von heute zu vor 1000 Jahren (MWP) ist sicher schwierig. Dasselbe gilt für den Oroko Swamp Datensatz (Nr. 11 im Übersichtsartikel), ein ansonsten sehr stimmiger Proxy. Die Verwendung von Daten aus Palmyra ist eher unglücklich. Der Sauerstoffisotopen-Datensatz ist höchstlückenhaft und die Temperaturinterpretation fragwürdig.

Insgesamt gibt es in der Gergis-Studie viel zu wenig lange Datenreihe aus der MWP. Die drei erwähnten Proxyreihen stammen von 2000-2003, sind also 10-15 Jahre alt. Weshalb hat man sich nicht verstärkt um die Erzeugung neuer Temperaturfallstudien gekümmert? Stattdessen versucht man sich mithilfe von komplizierten statistischen Verfahren an einem unzulänglichen Datensatz, verschwendet wertvolle Zeit und tappt dabei noch in unnötige Fallen. Hier wurden auf jeden Fall falsche Prioritäten gesetzt.

Zudem haben Gergis und Kollegen wichtige andere Daten aus der Region einfach ignoriert. Weshalb wird Moros et al. 2009 aus Australien sowie etliche weitere Studien aus Neuseeland und Indonesien nicht verwendet? Hier gehts zu den Quellen.

Das Endresultat von Gergis et al. 2016 ist im Prinzip in Ordnung (Abbildung 2). Klar zu erkennen: MWP, Kleine Eiszeit und Moderne Wärmeperiode. In einigen Abbildungen im Paper haben die Autoren leider noch am Ende einen Hockeystick-Schwung nach oben eingebaut, was unnötig war und erneut zeitraubende Diskussionen anfachte.

Abbildung 2: Temperaturentwicklung in Australien, Neuseeland und Nachbarregionen während der vergangenen 1000 Jahre. Aus Gergis et al. 2016.

 

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