US-Atmosphärenforscher warnt davor, die kalifornischen Waldbrände reflexhaft dem Klimawandel anzulasten

Der Spiegel brachte am 16. November 2018 einen guten Artikel zu den kalifornischen Waldbränden:

Experteninterview: Wieso gibt es heute mehr Großfeuer in Kalifornien?

Brown ist Atmosphärenforscher und Buschfeuerexperte am Desert Research Institute in Reno (US-Bundesstaat Nevada).  […]

SPIEGEL: Es scheint so, als hätte die Häufigkeit von Bränden in Kalifornien zugenommen. Warum ist das so?

Brown: Zunächst: Die Gesamtzahl aller Feuer in Kalifornien hat überhaupt nicht zugenommen; die Zahl der großen, verheerenden Feuer aber sehr wohl. Von den 20 größten je dokumentierten Feuern in Kalifornien brannten 15 in diesem Jahrtausend.

SPIEGEL: Wie erklären Sie sich das?

Brown: Ich sehe zweierlei Ursachen: Zum einen sind da die wärmeren, trockeneren Klimabedingungen, vor allem im Norden Kaliforniens. Besonders wichtig ist dabei, dass die nächtlichen Temperaturen gestiegen sind. Der andere Punkt ist, dass wir über viele Jahre hin erfolgreich Feuer verhindert haben. Das klingt zwar erfreulich, aber es führt gleichzeitig dazu, dass sich immer mehr Brennstoff angesammelt hat.

[…]

SPIEGEL: Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Brown: In der Feuerökologie gilt die Grundregel: Klima ermöglicht Feuer, Wetter facht es an. Mit anderen Worten: Ja, wenn es wärmer und trockener wird – und das beobachten wir in Kalifornien -, dann bedeutet das erhöhte Feuergefahr. Ich zögere trotzdem zu sagen: „Der Klimawandel verursacht diese großen, zerstörerischen Feuer.“ Wir dürfen die anderen, mindestens ebenso wichtigen Faktoren nicht außer Acht lassen: dass es in der Vergangenheit eine Form der Brandvorsorge gegeben hat, die wir überdenken sollten; und dass die Menschen ihre Häuser an ebenjenen Orten bauen, wo die Gefahr besonders groß ist.

SPIEGEL: Sie wollen sagen: Die Leute haben ihre Häuser am falschen Ort gebaut; jetzt müssen sie sich nicht wundern, dass sie abbrennen?

Brown: Die Menschen wollen raus aus den Städten, und sie dringen dabei immer weiter vor in die Übergangszone zwischen Stadt und Wildnis. Wer aber sein Eigenheim an einem Platz inmitten einer Vegetation errichtet, die alljährlich austrocknet, der riskiert, dass es irgendwann in Flammen aufgeht.

SPIEGEL: Sollte das bei der Siedlungsplanung besser berücksichtigt werden?

Brown: Unbedingt! Denn nachträglicher Feuerschutz von Häusern, nachdem sie einmal gebaut sind, kann sehr teuer werden. Ungefähr zwei Millionen Häuser in Kalifornien stehen in Gegenden mit hoher Brandgefahr.

Ganzes Interview im Spiegel lesen (für Abonnenten, mit Gratismonat Artikel umsonst lesen).

Auch Die Welt beschäftigte sich mit dem Thema. Der Titel des Beitrags klingt gut, der Text-Einstieg ist dann jedoch ziemlich erschreckend. An die Autorinnen Wiebke Hollersen und Céline Lauer: Musste das sein?

Brände in Kalifornien: Ist das der Klimawandel?

[…] Ist das der Klimawandel? „Ich denke schon“, sagt Mojib Latif, einer der wichtigsten Klimaforscher in Deutschland, Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Das ist mit Sicherheit der Klimawandel“, sagt Johann Georg Goldammer, Feuerökologe und Gründer des Global Fire Monitoring Centers Freiburg. Die Zeit der Zweifel scheint vorbei. Bei der Dürre in Kalifornien und den Bränden, die sich immer häufiger dort entwickeln, handelt es sich vermutlich eben nicht mehr um Einzelereignisse, sagt Mojib Latif. Der Klimaforscher war für seine Arbeit oft in Kalifornien. Er kennt die Landschaften und das Klima aus eigener Anschauung seit mehr als zwanzig Jahren. Er weiß, dass regelmäßige Brände in Kalifornien natürlich sind, manche Bäume dort sogar Feuer brauchen, um sich fortzupflanzen. Latif kennt auch die wissenschaftlichen Daten über das Klima der Region. Aus diesen Daten könne man das Klima Kaliforniens seit dem Jahr 800 rekonstruieren, sagt er. „Seit Jahrzehnten ist es in Kalifornien sehr trocken. Das ist in mehr als 1200 Jahren einmalig.“

Das Mojib-Orakel hat gesprochen. Es muss wohl der Klimwandel gewesen sein. Oder vielleicht doch nicht?

 

Mojb Latif war schon oft in Kalifornien. Ganz sicher hat er das CO2-neutral getätigt. Die langen Flüge hat er vermutlich per CO2-Ablassbrief kompensiert. Dann geht das voll in Ordnung. Er meint vor allem die anderen und nicht sich selbst, wenn er Verzicht von Fernreisen und anderem Zivilisationsfrevel aus Klimaschutzgründen fordert.

Aber zurück zum Thema. Latif verweist auf Paläoklimastudien, die angeblich aussagen, dass es in Kalifornien in den letzten 1200 Jahren noch nie so trocken gewesen wäre wie heute. Stimmt das? Eine schöne Steilvorlage für das mittelalterliche Klima-Kartierprojekt. Da sich das Projekt zunächst vor allem auf die Südhalbkugel konzentriert hat, ist die Datenlage in Kalifornien noch etwas mager. Etwa 300 Arbeiten wurden bereits gesammelt, die zu gegebener Zeit in die Karte eingepflegt werden müssen. Wenn der Tag doch nur 40 Stunden hätte…

Zum Glück gibt es dann doch schon einen einzigen Eintag in der Nähe von Kalifornien, nämlich aus dem benachbarten Nevada. Es handelt sich um Benson et al. 2007:

Possible impacts of early-11th-, middle-12th-, and late-13th-century droughts on western Native Americans and the Mississippian Cahokians
One or more of three intense and persistent droughts impacted some Native American cultures in the early-11th, middle-12th and late-13th centuries, including the Anasazi, Fremont, Lovelock, and Mississippian (Cahokian) prehistorical cultures. Tree-ring-based reconstructions of precipitation and temperature indicate that warm drought periods occurred between AD 990 and 1060, AD 1135 and 1170, and AD 1276 and 1297. These droughts occurred during minima in the Pacific Decadal Oscillation and may have been associated with positive values of the Atlantic Multidecadal Oscillation. Each of the Native American cultures was supported, to a greater or lesser degree, by precipitation-dependent resources. Both the Four Corners region and Cahokia were sites of intense growth between about AD 1050 and 1130, and by AD 1150, cultures in both regions were undergoing stress. By AD 1300 the Anasazi and Fremont cultures had collapsed and their residual populations had either left their homelands or withered. In the case of Fremont populations, the AD 990–1060 drought may have had the greatest impact. This drought also may have affected the Anasazi, for it was at the end of this drought that some people from Chaco migrated to the San Juan River valley and founded the Salmon Ruin great house. Detailed data do not exist on the number of Lovelock habitation sites or populations over time; however, Lovelock populations appear to have retreated from the western Great Basin to California by AD 1300 or shortly thereafter.

Die Autoren berichten über schlimme Dürreserien während der Mittelalterlichen Wärmeperioden, die zum Aussterben von ganzen Indianerkulturen geführt hat. Latif scheint die Arbeiten nicht zu kennen. Liest er genug Literatur? Vielleicht sollte er einen Teil seiner Zeit vor dem Mikrofon lieber zur Lektüre von Facharbeiten nutzen.

Benson et al. 2007 erwähnen sogar Gründe für die vorindustriellen Dürreserien. Die treten in der Region vor allem während Minima des PDO-Ozeanzyklus sowie während positiven Phasen des AMO-Ozeanzyklus auf. So war es jedenfalls vor 1000 Jahren. Ein guter Hinweis. Wir schauen nach, in welcher Phase die PDO und AMO gerade schwingen. Als erstes die PDO, die Pazifische Dekadenoszillation (Abb. 1). Sie befindet sich gerade in einem Minimum, wie unschwer zu sehen ist. Das fördert Dürren in Kalifornien.

Abb. 1: Verlauf der PDO während der letzten 120 Jahre. Quelle: Wikipedia. Giorgiogp2 [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], from Wikimedia Commons

 

Und jetzt der zweite Ozeanzyklus, die AMO, Atlantische Multidekadenoszillation (Abb. 2). Wir befinden uns in einer positien Phase, genau wie vor 1000 Jahren, als es schon einmal so viele Dürren gegeben hat.

 

 Abb. 2: Entwicklung der AMO während der letzten 130 Jahre.

 

Fazit: Wieder einmal führt Latif sein Publikum hinters Licht. Anstatt die gut bekannten Zusammenhänge zwischen Ozeanzyklen und Regenmengen an der US-Westküste zu erläutern, erklärt er die Heutezeit einfach zur Sonderzone. Das ist umso erstaunlicher, weil Latif früher selber über die Ozeanzyklen publiziert hat. Nun stehen sie ihm und seinem lukrativen Klimaaktivismus im Weg, so dass er sie einfach verleugnet.

Aber der Welt-Artikel fängt an der Stelle erst an. Wiebke und Céline lassen sich sogleich von der Münchener Rück den zweiten Bären aufbinden:

Die Rückversicherungsgesellschaft Munich Re erhebt und analysiert seit den 1970er-Jahren Daten über Brände in Kalifornien: über die Schadenssummen nach einer Saison. Lange seien es zwei, drei, vier Milliarden Dollar im Jahr gewesen, sagt Ernst Rauch, leitender Klima- und Geowissenschaftler bei Munich Re. „Das Jahr 2017 hat die bisherigen Dimensionen gesprengt. Die Landschaftsbrände verursachten gesamtwirtschaftliche Schäden von fast 18 Milliarden Dollar.“ Für 2018 gibt es noch keine abschließenden Zahlen. Aber es sehe leider so aus, meint Rauch, als sei 2017 keine einsame Ausnahme gewesen.

Was Ernst Rauch verschweigt: Die versichterten Werte sind in den letzten Jahrzehnten natürlich ebenfalls gestiegen. Berücksichtig man dies, so sieht die Situation gänzlich anders aus. Siehe: Neue Arbeit von Roger Pielke Jr.: Anstieg der globalen Extremwetterversicherungsschäden basiert fast vollständig auf sozioökonomischen Gründen. Die Welt sollte den Autoren vielleicht doch wieder mehr Zeit zur Recherche geben. Momentan sieht es so aus, als wenn man den Reportern fast alles in den Block diktieren kann. Ein bisschen Mitdenken bzw. naturwissenschaftliche Grundkenntnisse wären vielleicht vorteilhaft… Das gilt nicht nur für Wiebke Hollersen (Studium der Publizistik, Politikwissenschaft, Neueren Geschichte an der FU Berlin) und Céline Lauer (Studium der Europäischen Ethnologie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin).

 

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