Um Antwort wird gebeten: Weshalb schrumpfen die Sundabarns nun wirklich?

Von: Sebastian Lüning
An: NDR-Rundfunkrat

Datum: 3.12.2018

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Sehr geehrte Damen und Herren,

Am 2.12.2018 berichteten Sie auf Tagesschau.de über indische Insel Ghoramara, die laut Ihrem Beitrag aufgrund des Klimawandels „im Meer versinkt“.

https://www.tagesschau.de/ausland/indien-klima-ghoramara-101.html

Konkret wird im Beitrag als einzige Ursache der steigende Meeresspiegel genannt. Dies verzerrt jedoch die Fakten, da das Schrumpfen der Insel in Wirklichkeit eine Vielzahl von Gründen hat. Zwar spielt auch der global ansteigende Meeresspiegel eine Rolle, viel wichtiger sind jedoch andere Prozesse, auf die Ihr Korrespondent Bernd Musch-Borowska mit keinem Wort eingeht und dadurch die Rolle des Klimawandels letztendlich überdramatisiert. Dies ist umso bedauerlicher, weil der Beitrag am ersten Tag der Klimakonferenz von Katowice erschien und die fachliche Robustheit Ihrer Berichterstattung in Frage stellt. Angesichts der enormen Bedeutung des Klimawandels in der öffentlichen Diskussion sollten Sie zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um solche einseitigen und fachlich unausgewogenen Darstellungen in Ihrem Programm zu vermeiden, z.B. das Hinzuziehen von Fachleuten vor Veröffentlichung.

Die Insel Ghoramara liegt im Mündungsbereich des Ganges. Wie in vielen Deltas der Erde herrschen auch hier starke Strömungen, die zu einer ständigen Umlagerung des Sediments und einer systematischen Verschiebung der Inseln führt. Ähnliche küstendynamische Prozese kann man im Bereich der Ostfriesischen Inseln beobachten. Die Insel Ghoramara und Nachbarinseln in den Sundarbans waren daher stets großen morphologischen Veränderungen ausgesetzt. Dazu kommt eine ebenfalls für Deltas typische Absenkungsrate von mehreren Millimetern pro Jahr, ein Betrag der den globalen (eustatischen) Meeresspiegelanstieg von 2-3 Millimetern pro Jahr sogar noch übersteigt. Außerdem hat der Bau mehrerer Staudämme im Einzugsbereich des Ganges zu einer verminderten Sedimentfracht im Fluss und Delta geführt, was die Erosion weiter verschlimmert.

Aktivitäten auf der Insel Ghoramara haben das Problem noch verschärft. Starke Grundwasserentnahme hat zu einer zusätzlichen Kompaktion des Aquifers und Senkung der Insel geführt. Außerdem haben die Inselbewohner im Zuge der Schaffung zusätzlichen Ackerlandes einen Teil der schützenden Mangrovenvegetation entfernt, so dass der Boden während Stürmen nun ungeschützt der Erosion ausgeliefert ist. Entsprechende Fachliteratur kann ich bei Interesse gerne zur Verfügung stellen.

Im Tagesschau-Beitrag wird suggeriert, dass der Meeresspiegelanstieg das Hauptproblem für Ghoramara sei. Das ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass das Schrumpfen der Insel Ghoramara eine Vielzahl von Ursachen hat, die in 1) natürliche, 2) nicht-klimatisch anthropogene und 3) klimatisch anthropogene Ursachen unterschieden werden können. Ich möchte Sie daher bitten – an gleicher Stelle wie der Originalbeitrag – die vollständige Palette von Ursachen aufzuführen, um dem Vorwurf einer klimaalrmistischen Dramatisieruung anlässlich der aktuellen Klimakonferenz in Katowice keine Grundlage zu bieten.

Mit besten Grüßen

Dr. habil. Sebastian Lüning
Geowissenschaftler

 

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