Überschwemmungen im bayerischen Alpenvorland häuften sich während solarer Schwächephasen

Immer wieder treten die Flüsse über die Ufer und das Land wird überschwemmt. Die Natur kann manchmal richtig grausam sein. Das menschliche Gedächtnis ist bekanntlich löcherig. Schlimme Ereignisse aus der Vergangenheit werden getilgt, während Aktuelles übergroß erscheint. So ist es auch bei den Überschwemmungen. Die jüngsten erscheinen immer die schlimmsten zu sein. Zu gerne würde man in einer ganz besonderen Zeit der Superlative leben. Das ist verständlich, denn man hat ja nur ein Leben, und das soll möglichst spektakulär sein.

Zum Glück gibt es abseits des medialen Alarmismus auch noch seriöse und faktenbasierte Studien, die eine guten klimahistorische Grundlage für die Diskussion schaffen. Im Aptil 2016 veröffentlichte eine Forschergruppe um Markus Czymzik im Fachblatt Climate of the Past eine Rekonstruktion der Überflutungsgeschichte des Flusses Ammer im bayerischen Alpenvorland für die vergangenen fünfeinhalbtausend Jahre. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Immer wenn die Sonne in ihrer Strahlung nachließ, nahmen die Überschwemmungen zu. Dabei beobachteten die Wissenschaftler einen zeitlichen Verzug von zwei bis drei Jahren. Czymzik und Kollegen sehen die Ursache in der Zunahme blockierter Wetterlagen. Hier die Kurzfassung der Arbeit:

Solar modulation of flood frequency in central Europe during spring and summer on interannual to multi-centennial timescales
Solar influences on climate variability are one of the most controversially discussed topics in climate research. We analyze solar forcing of flood frequency in central Europe during spring and summer on interannual to multi-centennial timescales, integrating daily discharge data of the River Ammer (southern Germany) back to AD 1926 (∼  solar cycles 16–23) and the 5500-year flood layer record from varved sediments of the downstream Ammersee. Flood frequency in the River Ammer discharge record is significantly correlated to changes in solar activity when the flood record lags the solar signal by 2–3 years (2-year lag: r = −0.375, p = 0.01; 3-year lag: r = −0.371, p = 0.03). Flood layer frequency in the Ammersee sediment record depicts distinct multi-decadal variations and significant correlations to a total solar irradiance reconstruction (r = −0.4, p <  0.0001) and 14C production rates (r = 0.37, p <  0.0001), reflecting changes in solar activity. On all timescales, flood frequency is higher when solar activity is reduced. In addition, the configuration of atmospheric circulation associated with periods of increased River Ammer flood frequency broadly resembles that during intervals of reduced solar activity, as expected to be induced by the so-called solar top-down mechanism by model studies. Both atmospheric patterns are characterized by an increase in meridional airflow associated with enhanced atmospheric blocking over central Europe. Therefore, the significant correlations as well as similar atmospheric circulation patterns might provide empirical support for a solar influence on hydroclimate extremes in central Europe during spring and summer by the so-called solar top-down mechanism.

Spannende Ergebnisse, und hochrelevant hinsichtlich der aktuellen Klimadiskussion und den wiederkehrenden Fluten obendrein. Aber Sie ahnen es schon: Keine einzige Zeitung, kein Sender berichtete über die Studie. Können Sie es sich erklären?

Historische Hochwasserforschung betrieben bereits Rüdiger Glaser und Kollegen. Im auf der Webseite des Deutschen Wetterdienstes verfügbaren Klimastatusbericht von 2003 (pdf) stellen die Autoren die Temperatur- und Hochwasserentwicklung der letzten 1000 Jahre in Deutschland dar. Damit waren sie ihrer Zeit voraus, denn später erkannte man, dass es politisch geeigneter ist, mit der Analyse der Trends erst in der Kleinen Eiszeit um 1800 zu beginnen. Denn dann muss man sich nicht mit der unbequemen Mittelalterlichen Wärmeperiode herumschlagen. Glaser und Kollegen kommen zu einem nüchternen Schluss: Extremwetter hat es stets in Deutschland gegeben, wobei es in der Vergangenheit bereits Phasen gab, in denen das Extremwetter intensiver war als heute. Ähnliches gilt für die Temperaturentwicklung. Hierein Auszug aus der lesenswerten und methodisch immer noch hochaktuellen Studie:

Schlussfolgerungen und Perspektiven:

Das Klima, sein Wandel und insbesondere klimabedingte Katastrophen zogen zu allen Zeiten ein großes öffentliches Interesse auf sich – wenn auch die Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster im Laufe der Zeit einem beträchtlichen Wandel unterzogen waren. Die Analyse historischer Aufzeichnungen ermöglicht Rekonstruktionen von Hochwasserereignissen und klimatischen Parametern ab etwa dem Jahr 1000 n.Chr. Betrachtet man die Ergebnisse, so wird zunächst offensichtlich, dass es zu allen Zeiten klimatische Extremereignisse gab. Immer wieder wurde die Bevölkerung von Hitzewellen und Dürren, Frostperioden und Starkniederschlägen überrascht. In manchen Regionen übertrafen einzelne Hochwasserereignisse die „Jahrhunderthochwässer“ des vergangenen Jahrzehnts deutlich.

Ein Blick auf die langen Reihen offenbart die hohe Variabilität des mitteleuropäischen Klima- und Hochwassergeschehens. Während einzelne Temperatur- und Niederschlagstrends des vergangenen Jahrhunderts auch im historischen Vergleich bemerkenswert erscheinen, waren andererseits unsere Vorfahren in den in dieser Studie diskutierten Flußgebieten offenbar zeitweise einem höheren Hochwasserrisiko ausgesetzt.

Unter diesem Eindruck erscheint so manches Bild von „niedagewesenen Klimakapriolen“ oder den „hausgemachten Hochwässern“ in einem anderen Licht. Weitergehende Untersuchungen sollen die Bedeutung der verschiedenen Einflußfaktoren erhellen und so eine wichtige Grundlage für gesellschaftliche Bewertungen und die Ableitung möglicher Handlungsszenarien liefern.

Ganze DWD-Studie hier lesen.

 

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