Temperaturdaten-Stabilitätspakt dringend benötigt: NASA kühlt die 1930er Jahre nachträglich um zwei ganze Zehntelgrad ab

Mehrere Leser baten uns, die bunte Welt der Temperaturdatensätze und ihre Stolperfallen noch einmal vorzustellen. Die Anregung nehmen wir gerne auf, da es zu Jahresbeginn wieder zu Verwirrung gekommen ist: Während einige Datenlieferanten Stagnation meldeten, überboten sch andere mit neuen Rekorden. Was steckt hinter dieser Konfusion?

Es ist ein bisschen wie beim Boxen: Es gibt nicht nur einen Weltverband der Temperaturstatistik, sondern gleich eine ganze handvoll. Zu unterscheiden sind zwei Gruppen: Temperaturmessungen am Erdboden und Messungen per Satellit. Die drei wichtigsten Bodentemperaturdatensätze stammen von der NASA (GISS), vom britischen Hadley Centre (HadCRUT) sowie von der US-amerikanischen NOAA (NCDC). Bei den Satellitendaten gibt es RSS (Remote Sensing Systems) und UAH (University of Huntsville in Alabama). Die Bodendaten gehen mehr als 100 Jahre zurück, während die Satelliten erst Ende der 1970er Jahre den Betrieb aufnahmen. Zwar zeigen alle Datensätze die Erwärmung der letzten Jahrzehnte, aber Unterschiede gibt es.

Wer ein bisschen mit den Temperaturdaten selber experimentieren möchte, dem sei die benutzerfreundliche Webseite Wood for Trees empfohlen, wo man mit ein paar Klicks tolle Kurven generieren kann. Zu beachten ist, dass alle Datensätze unterschiedliche Referenzperioden haben, daher ist der absolute Temperaturvergleich erst nach einer Korrektur („Offset“) und Angleichung der Baselines möglich.

Generell ist es so, dass die Satellitendaten weniger Erwärmung zeigen, als die Bodendaten. Weshalb ist das so? Die Bodendaten werden aus einer Vielzahl von Stationen generiert, wobei gewisse Anpassungen zur Vergleichbarkeit notwendig sind. Dies wird in der Fachwelt „Korrekturen“ genannt. Fiktives Beispiel: Wenn in der Vergangenheit zum Beispiel Temperaturen in einer schwarzen Hütte gemessen wurde und heute in einer weißen, dann müssen die schwarzen Werte auf weiß umgerechnet werden. Das ist soweit in Ordnung. Trotzdem steckt hier auch das Problem, denn es wurden in der Vergangenheit soviele „Korrekturen“ durchgeführt, dass einem fast schwindelig werden konnte. Im Jahresrhythmus wurden vor allem die neueren Temperaturen angehoben, während die älteren Temperaturen abgesenkt wurden. Schwupps, war am Computer eine künstliche Erwärmung herbeigezaubert. Der Kreis derjenigen, die diese nichttransparente Datenverbiegung nachvollziehen und bewerten kann, ist äußerst klein. Für subjektive Entscheidungen stehen Tür und Tor offen, ohne dass es aus dem kleinen Zirkel nach außen dringt.

Schauen wir uns das Beispiel GISS an. Seit vielen Jahren stehen diesem New Yorker NASA-Institut bekennende Klimaaktivisten vor, erst James Hansen, jetzt Gavin Schmidt. Keine gute Ausgangslage für die Betreuung einer als neutral gedachten Temperaturdatenbank. Es wundert daher kaum, dass GISS zu den Datensätze mit der stärksten Erwärmung zählt. Das Wort ‚Betrug‘ ist hier sicher falsch, aber man kann sich leicht vorstellen, dass es bei den vielen Entscheidungsmöglichkeiten im Workflow stets zugunsten einer verstärkten Erwärmung geht.

Immer wieder haben Kritiker Aufklärung gefordert und eine Untersuchung der nicht endenwollenden Korrekturwelle des GISS angemahnt. Im März 2015 berichtete der Focus über eine solche Initiative, mit dem offensichtlichen Ziel, die Aktion als Tat von wirren Verschwörungstheoretikern abzutun:

Neuer Klimaskandal: Nasa soll bei Erderwärmung Daten gefälscht haben
[…] Das Nasa Goddard Institute for Space Studies (GISS) habe widersprüchliche Daten veröffentlicht, heißt es dort. Und tatsächlich: Die Daten, die die Nasa veröffentlichte, unterscheiden sich deutlich von den ursprünglich gemessenen Temperaturen. Bedeutet das jetzt, dass der Klimawandel eine Lüge ist? Nein. Der Klimawandel ist echt. Das Wetter wird extremer, die Erde heizt sich auf. Zu dem eindeutigen Ergebnis kommen Experten im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung. Diese Experten erklären auch, warum es Abweichungen in den Daten der Nasa gibt. Demnach sei es eine ganz normale wissenschaftliche Methode, die Daten nachträglich anzupassen. Das sei aufgrund einiger Faktoren nötig, die die Messungen ungenau machen. So gibt es zum Beispiel Lücken bei den Messdaten, etwa wegen eines Ausfalls von Beobachtern. Auch kam es zu Stationsverlegungen und zu Zeitunterschieden bei den Messungen (das heißt, einmal wird mittags, dann wieder morgens gemessen), heißt es im Bericht der „Bild“-Zeitung weiter. Beides führt zu Abweichungen bei den Daten. Auch das Ersetzen veralteter durch moderne Technik führte zu veränderten Klimadaten. Dass den Klimaforschern heute oft nur „unsaubere“ Daten vorliegen liege auch daran, dass die Leute früher nicht davon ausgingen, dass ihre Ergebnisse für Langzeit-Analysen zum Klimawandel benutzt werden sollten. Mit verschiedenen Methoden werden die Daten deshalb nachträglich kalibriert. Die Experten sind sich einig, wie die „Bild“-Zeitung berichtet: Der Klimawandel existiert. Kein Grund für Verschwörungstheorien also.

Experten beruhigen: Alles gut. Hier gibt es nichts zu sehen. Gehen Sie bitte zügig weiter. Das würden wir gerne glauben, wollen aber doch nicht ganz auf Belege verzichten. Wir vergleichen eine ältere Version der GISS-Temperaturen (Mai 2015, rote Kurve) mit einem neueren Update von 2016/17 (blaue Kurve):

Abbildung: Vergleich einer älteren Version der GISS-Temperaturen (Mai 2015, rote Kurve) mit einem neueren Update von 2016/17 (blaue Kurve). Daten GISS, Graphik: Climate4You.

 

Sehen Sie es auch? In diesem letzten Update, wurden die Temperaturen für die letzten 35 Jahre in aller Stille um ein halbes Zehntelgrad angehoben. Prinzip Salamitaktik: Immer ein bisschen mehr. Wie Sie wissen, geht es bei der Klimaerwärmung insgesamt „lediglich“ um acht Zehntelgrad, da macht ein halbes Zehntel schon etwas aus, insbesondere wenn es vorher schon weitere Korrekturen gegeben hat.

Vielleicht auf Druck von außen bietet die NASA nun einen Online-Vergleich der verschiedenen GISS-Versionen an. Machen wir also die Probe aufs Exempel. Wie sieht der Vergleich mit der vorletzten Korrektur aus? Die schwarze Kurve zeigt die aktuelle Version von 2016 an. Die hellgrüne Kurve ist die Version von 2013 (entspricht vermutlich der roten 2015er Kurve der vorherigen Abbildung). Und die violette Kurve ist die Version von 2012. Ganz genau: Salamitaktik, wieder ein halbes Zehntel. Immer schön unter dem Radar fliegen.

 

Abbildung: Vergleich der GISS-Temperaturversionen von 2012, 2013 und 2016. Oben: Temperaturkurven. Unten: Ausmaß der Korrektur, bezogen auf die heutige Version (Auschlag nach oben: die Daten wurden wärmer gemacht; Ausschlag nach unten: die Daten wurden kühler gemacht). Quelle: GISS

 

Weiterhin sieht man, wie die Temperaturen zwischen 1920 und 1970 künstlich abgekühlt wurden. Das sieht man noch besser, wenn man die Datenversionen von 1987 und 2016 vergleicht:

Abbildung: Vergleich der GISS-Temperaturversionen von 1987 und 2016. Oben: Temperaturkurven. Unten: Ausmaß der Korrektur, bezogen auf die heutige Version (Auschlag nach oben: die Daten wurden wärmer gemacht; Ausschlag nach unten: die Daten wurden kühler gemacht). Quelle: GISS

 

Ziemlich unglaublich: Die globalen Temperaturdaten wurden in den 1930er Jahren um zwei ganze Zehntelgrad künstlich heruntergekühlt. Oder anders ausgedrückt: Die Originalmeswerte der Messstationen waren um genau diese zwei Zehntelgrad (immerhin ein Viertel der globalen Gesamterwärmung in den letzten 150 Jahren) wärmer als von GISS heute dargestellt. Um Gründe für die Korrekturen sind die Datenhüter natürlich nicht verlegen. Aber sind sie glaubhaft?

Auch hier: Spielen Sie doch einmal selber mit dem GISS-Versions-Vergleichstool. Es gibt viel zu entdecken!

 

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