Studie der Colorado State University widerspricht dem PIK: Arktischer Meereisschwund führt nicht zu mehr Extremwetter

Unermüdlich schwappt die Klimadiskussion hin und her. Unterstützer der Klimakatastrophe denken sich immer neue Zusammenhänge aus, die die klimatische Schuld der Menschheit angeblich stützen sollen. In der Regel dauert es dann nur wenige Tage, bis der Spuk von der klimarealistischen Diskussionsseite entzaubert wird. Durch die guten medialen Verbindungen der Katastrophisten ist der Schaden dann allerdings meist bereits geschehen. Nur in den seltensten Fällen wird die ursprüngliche in den Zeitungen erschienene Alarmgeschichte korrigiert oder wenigstens relativiert. Es macht sich einfach nicht gut, wenn eine gruselige Knüllerstory nach nur kurzer Lebensdauer wieder zurückgenommen werden muss. Da könnten ja die Leser auf den Gedanken kommen, mit dem Faktencheck in der jeweiligen Redaktion könnte etwas nicht stimmen.

Im Folgenden wollen wir die Geschichte einer dieser Episoden im unwirklichen Klimastreit erzählen. Die Saga begann im März 2012 als Jennifer Francis von der Rutgers University und Stephen Vavrus von der University of Wisconsin-Madison in den Geophysical Research Letters einen Artikel mit dem Titel „Evidence linking Arctic amplification to extreme weather in mid-latitudes“ veröffentlichen. Darin postulieren die Autoren, dass sich der starke Jet Stream-Wind in der Höhe nicht mehr so schnell hin- und herschlängelt, so dass extreme Wetterlagen länger an einer Stelle wie festgenagelt verweilen. Schuld hieran hätte das schmelzende Meereis, ein Schwund der letztendlich auf das Konto des Menschen gehen soll. Eine schönschaurige Klimaalarmstory. Im Detail ist die Thematik so kompliziert, dass Francis und Vavrus ersteinmal keine große Opposition von außerhalb des Klimazirkels zu fürchten hatten.

Dazu muss man wissen, dass Jennifer Francis nicht nur Klimawissenschaftlerin, sondern auch -Aktivistin ist, was ihr einen neutraleren Blick deutlich erschwert. So war sie unter anderem mit Al Gores Climate Reality Project verbunden. Zudem hielt sie am 18. Juli 2013 eine klimaalarmistische Anhörungsrede vor dem US Senat (YouTube-Video hier). Bei solch einem schönen Klimagruselthema darf das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) natürlich nicht fehlen. Eifrig wurde an einer eigenen Publikation gewerkelt, die in der März-Ausgabe 2013 des Fachjournals PNAS erschien. Neben Leitautor Vladimir Petoukhov waren unter anderem auch zwei alte Bekannte mit von der Partie, Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber. Wie könnte es anders sein. In einer PIK-Pressemitteilung vom 25. Februar 2013 schildern die Potsdamer, wie schlimm es um unseren Planeten steht (Fettsetzung ergänzt):

Eine ganze Reihe regionaler Wetter-Extreme hat in jüngster Zeit die Welt erschüttert – etwa die Hitzewelle in den USA 2011 oder jene in Russland 2010, als auch Pakistan überschwemmt wurde. Hinter diesen verheerenden Einzelereignissen gibt es eine gemeinsame physikalische Ursache, wie jetzt erstmals Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) aufzeigen. Ihre Studie wird diese Woche in der US-Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht. Das Ergebnis: Der vom Menschen verursachte Klimawandel stört wiederholt die Muster der Luftbewegungen rund um die nördliche Erdhalbkugel, und zwar wahrscheinlich durch einen raffinierten Resonanz-Mechanismus.

„Ein wichtiger Teil der globalen Luftströme in den mittleren Breiten der Erde hat normalerweise die Form von großen Wellen, die um den Planeten wandern und dabei zwischen den Tropen und der Arktis oszillieren“, erklärt der Leit-Autor Vladimir Petoukhov. „Wenn sie hinauf schwingen, so saugen diese Wellen warme Luft aus den Tropen nach Europa, Russland oder die USA; und wenn sie hinab schwingen, tun sie das Gleiche mit kalter Luft aus der Arktis.“

„Wir haben nun entdeckt, dass während mehrerer Wetter-Extreme in den letzten Jahren diese planetarischen Wellen gleichsam wie eingefroren waren, sie blieben wochenlang fast unverändert“, so Petoukhov. „Statt dass sie kühle Luft bringen, nachdem sie zuvor warme Luft gebracht haben, bleibt einfach die Wärme. Wir beobachten eine zunehmende Verlangsamung  – eben durch die heftige Verstärkung der normalerweise schwachen sich langsam bewegenden Anteile dieser Wellen.“ Hierbei kommt es auf die Dauer an: Zwei oder drei Tage mit 30 Grad Celsius sind kein Problem, zwanzig Tage oder mehr aber führen zu extremem Hitzestress. Weil viele Ökosysteme und Städte hieran nicht angepasst sind, können ausgedehnte Hitzeperioden zu vermehrten Todesfällen, Waldbränden und Missernten führen.  

Der Deutschlandfunk („Wie der Klimawandel Wetterextreme im Norden befördert“) und viele andere Medien berichteten dankbar über die neue Studie. Ein bisschen kompliziert das Thema, aber dafür mit reichlich Alarm. Auf so etwas stehen die Leser, Hörer und Zuseher. Passt schon.

Nun passierte jedoch etwas Unvorhergesehenes. Eine Fachkollegin hatte es schließlich doch gewagt mitzudenken und hat sich an die umfangreiche und zeitraubende Überprüfung der Jet Stream-Thesen gemacht. In einem Artikel in den Geophysical Research Letters vom 3. September 2013 entzauberte Elizabeth Barnes von der Colorado State University die klimaalarmistischen Visionen von Francis/Vavrus und PIK. Die in den jeweiligen Publikationen beschriebenen Trends stellten sich bei näherem Hinsehen als Artefakt heraus. Auch war nach gründlichem Faktencheck keine Steigerung von blockierten Wetterlagen in den letzten Jahren zu erkennen. Im Folgenden die Kurzfassung der Studie:

Previous studies have suggested that Arctic amplification has caused planetary‒scale waves to elongate meridionally and slow down, resulting in more frequent blocking patterns and extreme weather. Here trends in the meridional extent of atmospheric waves over North America and the North Atlantic are investigated in three reanalyses, and it is demonstrated that previously reported positive trends are likely an artifact of the methodology. No significant decrease in planetary‒scale wave phase speeds are found except in October‒November‒December, but this trend is sensitive to the analysis parameters. Moreover, the frequency of blocking occurrence exhibits no significant increase in any season in any of the three reanalyses, further supporting the lack of trends in wave speed and meridional extent. This work highlights that observed trends in midlatitude weather patterns are complex and likely not simply understood in terms of Arctic amplification alone.

In den englischsprachigen Medien wurde über den Disput vereinzelt berichtet. Wer sich hier in die Details der Auseinandersetzung einlesen möchte, kann auf die Beiträge von Andrew Freedman auf Climate Central und von Jason Samenow in der Washington Times zurückgreifen. In der Folge gab Samenow der kritisierten Seite die Möglichkeit der Entgegnung, die die streitbare Jennifer Francis in der Washington Post am 21. August 2013 auch nutzte. Anstatt sich jedoch auf die inhaltlichen Aspekte zu konzentrieren, griff sie Elizabeth Barnes persönlich an und unterstellte ihr unlautere Beweggründe, die sie zur Kritik an ihrer Arbeit bewogen hätten. Zudem bezeichnete sie das Paper von Barnes als unausgewogen. Im Original liest sich die Passage von Francis Entgegnung so:

The mechanisms linking Arctic amplification with large-scale circulation patterns are clearly not simple and we still have much to learn. These new results provide additional insight into those linkages, but it appears that the interpretation of these results in Barnes (2013) was conducted with a particular intent. I welcome and appreciate Dr. Barnes’ contribution to the community’s efforts to understand the effects of AA on large-scale circulation changes, but perhaps a more balanced approach to interpreting the results could be applied going forward.

Auch Judith Curry verfolgte den Disput in ihrem Blog und zeigte sich über die unwissenschaftliche Entgleisung von Francis äußerst erbost. Sollte es heutzutage wirklich nicht mehr gestattet sein, eine klimaalarmistische These wissenschaftlich anzugreifen, ohne gleich als Klimaleugner beschimpft zu werden? Currys Kritik ist äußerst lobens- und lesenwert:

When I first saw Francis’ statement, I thought wow, what is going on here?  Who exactly is this Elizabeth Barnes person?  Is she a climate ‘denier’ or someone who has invoked the ire of the consensus police, or something?  I went to Barnes’ web site, she is an Assistant Professor of Atmospheric Sciences at Colorado State University.  I went through her web site pretty thoroughly owing to my Department Chair gene, I am always on the lookout for new faculty member talent.  She looks like an excellent atmospheric dynamicist, and good atmospheric dynamicists are hard to find.  Elizabeth is definitely a promising young scientist that I will keep my eye on.

So why on earth would Elizabeth Barnes be out to ‘get’ Jennifer Francis and discredit her work?  Its very hard to imagine a reason, beyond the obligation of a scientist to challenge existing findings and push forward at the knowledge frontier.

JC [Judith Curry’s] message to Jennifer Francis:  I’ve found that your credibility is reduced and your own motivations are questioned when you attack the motives of another scientist, particularly a young scientist without any apparent agenda beyond doing good science and advancing her academic career.  The high ground is a much better place to be, and not just in a hurricane.

Die deutsche Presse verschwieg der Öffentlichkeit die unbequeme, begutachtete neue Arbeit von Barnes. Die Ergebnisse passten offensichtlich nicht in das religiös verfolgte klimaalarmistische Leitmotiv. Frei nach Baby Schimmerlos: „Wer reinkommt, bestimme ich“. Auch wollte man die lohnende Freundschaft mit dem PIK sicher nicht gefährden. Die Leser wollen jeden Tag aufs Neue unterhalten werden. Da wird man mittelfristig nicht ohne das PIK als Ideengeber auskommen können.

 

Eisschollenfoto: Jason Auch / Lizenz: Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.
Teilen: