Sebastian Lüning im Hiltibold-Interview

Am 19. Oktober 2018 erschien im Hiltibold-Blog ein Interview mit dem Geowissenschafter Sebastian Lüning. Der Blogger und Living Historian Hiltibold stammt aus Graz und beschäftigt sich thematisch vor allem mit römischer und (früh-)mittelalterlicher Geschichte. Hier ein Auszug aus dem Interview:

HILTIBOLD: Wie in der Antike, so gab es auch im Mittelalter eine Warmphase, ohne dass dieser ein nennenswerter CO2-Anstieg in der Atmosphäre vorausgegangen wäre. Damals wurde auf Grönland von Wikingern sogar Ackerbau und Viehzucht betrieben. Sie haben es sich nun zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Belege für die sogenannte „Mittelalterliche Warmzeit“ zu sammeln und auf Google Maps einzutragen. Was bewog Sie zu diesem Projekt bzw. worin liegt der Zweck?

LÜNING: Hochaufösende Paläoklimaforschung findet erst seit anderthalb Jahrzehnten statt. Wir befinden uns also in einer äußerst spannenden Phase, in der Klimaforschungsgeschichte geschrieben wird. Dies läuft weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ab. Zur Zeit der berühmten Hockeystickkurve gab es noch kaum belastbare und hochqualitative Klimadaten für die letzten 2000 Jahre. Michael Mann hatte im Prinzip keine Chance, die Realität robust abzubilden.

Das hat sich jetzt geändert. Ich finde es faszinierend, wie sich das klimahistorische Bild allmählich zusammensetzt. Hauptberufliche Forscher sind bereits stark mit der Datengenerierung beschäftigt, reisen quer über den Globus, um Sedimentkerne aus Seen zu ziehen und Gletschermoränen zu datieren. Für die Synthese der Daten bleibt da wenig Zeit. An dieser Stelle setze ich an, da die Zusammenführung komplexer Daten zu einem plausiblen Ganzen eines meiner Steckenpferde ist. Der erste Schritt ist die Sichtung und Filterung der Daten, die wir auf einer für alle Forscher und Interessieren zugänglichen Google Map sammeln: http://t1p.de/mwp. Die Karte wurde bislang mehr als 77.000 mal verwendet, woraus ich schließe, dass diese Datensammlung von den Benutzern geschätzt und für nützlich befunden wird. Das bestätigen mir auch viele Klimakollegen per Email.

In der Kohlenwasserstoffexploration gibt es entsprechende Software, die diesen Datenwust inhaltlich ordnen und graphisch ansprechend darstellen kann. Einer der Softawarehersteller hat mir dankenswerterweise die Software für meine privaten Klimastudien kostenfrei zur Verfügung gestellt. Über diese Art der Forschungsförderung bin ich sehr dankbar. Durch diesen Technologietransfer haben wir eine gute Chance, die mittelalterliche Klimaanomalie endlich flächenhafter zu charakterisieren und Wissenslücken schließen zu können. Dabei gehen wir als Team ergebnisoffen ans Werk. Die Daten sollen am Ende für sich sprechen, was auch immer herauskommen sollte.

Auf Basis dieser Auswertung habe ich mit Fachkollegen bisher zwei Publikationen zur mittelalterlichen Temperaturgeschichte und Niederschlagsentwicklung in Afrika veröffentlicht (Lüning et al. 2017, Lüning et al. 2018). Beide Papers beschreiben systematische klimatische Verschiebungen während der Mittelalterlichen Wärmeperiode und diskutieren mögliche natürliche Klimafaktoren. Die erste Studie wurde von der American Geophysical Union besonders gewürdigt und dazu ausgewählt, in der Mitgliederzeitschrift Eos einem breiten Publikum vorgestellt zu werden. Weitere Synthesen zum mittelalterlichen Klima in anderen Regionen der Erde sind in Vorbereitung, darunter Südamerika, Antarktis, Ozeanien und der Mittelmeerraum.

Ganzes Interview im im Hiltibold-Blog lesen.

 

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