Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat entschieden: Umweltbundesamt darf Journalisten anschwärzen

In den USA werfen Regierungsstellen unliebsamen Journalisten „Fake News“ vor, um sie zu diskriminieren. In Deutschland wäre das unmöglich? Irrtum. Das Umweltbundesamt (UBA) geht mit Rufmordmethoden auf Journalisten los. Doch leider gibt es hierzulande kein Gericht, das die Pressefreiheit davor schützt, wie jetzt bekannt wurde. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg hat in der Sache „Miersch gegen Bundesrepublik Deutschland“ (Aktenzeichen 3 L 44/16.Z) eine Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle aus dem Jahr 2015 abgelehnt. Miersch hatte gegen seine Nennung in einer Broschüre des UBA mit dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ geklagt. Darin werden er und einige andere Journalisten und auch Wissenschaftler, darunter auch Sebastian Lüning und Fritz Vahrenholt, als „Klimawandelskeptiker“ bezeichnet, deren Publikationen „gegen den Kenntnisstand der Wissenschaft“ gerichtet sind. An anderen Stellen des Textes werden die Machenschaften von Klimawandelskeptikern als unlauter dargestellt. Auch wird der Vorwurf erhoben, Klimawandelskeptiker seien bezahlte Lobbyisten der Ölindustrie.

Das OVG Magdeburg schloss sich nun dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle voll und ganz an und erklärte, dass das Umweltbundesamt mit der Broschüre einem „postfaktischen Diskurs“ entgegenwirkt. Mit „postfaktischen“ sind somit die Artikel von Miersch (damals Ressortleiter Wissenschaft beim FOCUS) und der anderen vom UBA angeschwärzten Journalisten und Wissenschaftler gemeint. Dieser Beschluss ist letztinstanzlich. Beim Beginn des Verfahrens 2013, war ich, wie fast alle Beobachter, davon überzeugt, dass das Vorgehen des UBA vor Gericht nicht bestehen wird. Jetzt hat die Behörde juristisch gesiegt.

Als die Broschüre 2013 herauskam, löste dies eine Welle des Protestes aus. „Eine staatliche Behörde hat nicht die Aufgabe, Kritiker der Regierungspolitik als Abweichler zu brandmarken,“ erklärte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) beim Erscheinen. Der Vorsitzende forderte den damaligen Bundesumweltminister Peter Altmaier auf, „die Broschüre in der vorliegenden Form nicht weiter zu verbreiten und sich bei den betroffenen Kollegen zu entschuldigen.“ Altmeier entschuldigte sich bei Fritz Vahrenholt in einem telefonischen Gespräch, wollte aber die Broschüre nicht zurückziehen. Siehe unseren Beitrag „Ein Skandal schwappt nach oben: Minister Altmaier äußert sich zur fragwürdigen UBA-Broschüre, will aber nicht verraten, ob er die Publikation selber für gut und richtig hält„. So wird das Traktat bis heute vom Umweltbundesamt verbreitet. Wie andere Beobachter auch, war der DJV jedoch zuversichtlich, dass die Gerichte das UBA in seine Grenzen verweisen werden.

Die meisten großen deutschen Zeitungen und Zeitschriften kritisierten damals das UBA scharf  für diese denunziatorische Broschüre. Dabei machte es erfreulicherweise keinen Unterschied, welche Haltung die Redaktionen in der Klimadebatte vertraten. Martin Schneider, Vorsitzender der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK), erklärte:

„Es ist nicht Aufgabe einer staatlichen Institution festzulegen, welche Meinungen geäußert werden dürfen und welche nicht.“  

Im Bundestag kritisierten mehrere Abgeordnete das Umweltministerium für die beleidigende Broschüre seiner Behörde. Erkenntnisse in Frage zu stellen, sei eine Kernaufgabe der Wissenschaft, sagte der Vize-Fraktionschef der Unionsfraktion, Arnold Vaatz, und bezeichnete die UBA-Broschüre als „Gipfel der Unverschämtheit.“ Klimaforscher Prof. Hans von Storch nannte die UBA-Broschüre: „Unfug.“ Diese und viele andere Proteste konnten das UBA nicht zum Einlenken bewegen. Es vertreibt weiterhin die Broschüre und darf dies ab jetzt auch mit höchstrichterlichem Segen tun.

Ich kenne die meisten von Mierschs Artikeln und seine Bücher, die er gemeinsam mit Dirk Maxeiner verfasste (Maxeiner gab den Rechtsweg auf, als die Kosten zu drückend wurden). Darin ist definitiv kein Abweichen von den messbaren Fakten und vom Kenntnisstand der Wissenschaft zu finden. In seinen Artikeln und Büchern ließ Miersch Wissenschaftler zu Wort kommen, die aus dem Kenntnisstand der Wissenschaft andere Schlüsse ziehen als die Bundesregierung. Dabei hat er sich nie selbst als Wissenschaftler aufgespielt und immer die journalistische Distanz bewahrt. Dafür wurde er von einer Bundesbehörde öffentlich angeprangert und muss durch den jetzt erfolgten Gerichtentscheid die immensen Kosten des Verfahrens tragen.

Übrigens lohnt sich ein Blick auf die Autoren der UBA-Broschüre, die ja so tun, als seien sie die kompetenten Schiedsrichter darüber, was der Kenntnisstand der Wissenschaft sei. Hauptautor ist UBA-Fachbereichsleiter Harry Lehmann. Er gehört dem „Verein der Freunde und Förderer des Potsdam-Instituts“ an. Laut Satzung soll der Verein das PIK „vor allem durch Beschaffung von Mitteln“ unterstützen. Das UBA hat nach FOCUS-Recherchen von 2007 bis 2013 ein Dutzend Forschungsaufträge in Höhe von insgesamt rund zwei Millionen Euro an das PIK vergeben und diese nicht – wie vorgeschrieben – europaweit ausgeschrieben. Die Vergabepraxis des UBA sei „eine massive und auffallend häufige Verletzung des Vergaberechts“, urteilt Vergaberechtsexperte Heiko Höfler. Das UBA verteidigt die umstrittenen Zuwendungen, sie seien unter eine „vergaberechtliche Ausnahmeregelung“ gefallen. Höfler überzeugt dies nicht: „Das ist nach den Vertragsbedingungen des Amtes gar nicht vorgesehen. Es spricht viel dafür, dass es sich um eine Schutzbehauptung handelt.“  Harry Lehmann hat lange Jahre für den Lobbyverband „Eurosolar“ gearbeitet und es dort bis zum europäischen Vizepräsidenten gebracht. Aus dieser Position heraus wechselte er dann 2007 in eine Spitzenstellung als Abteilungsleiter in das Umweltbundesamt.

Auch unter den anderen drei Autoren ist kein Klimawissenschaftler. Mit-Autor Dr. Klaus Müschen ist Leiter der Abteilung Klimaschutz und Energie des UBA. Er studierte Elektrotechnik und Sozialwissenschaft an der Universität Hannover und arbeitete als Hochschulassistent für Elektrotechnik an der Universität Hamburg. Später leitete er das Referat für Klimaschutz, Luftreinhaltung und Lokale Agenda 21 in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Dr. Steffi Richter arbeitet in der von Klaus Müschen geleiteten UBA-Abteilung. Auch über sie kann man im  Internet keine klimawissenschaftlichen Publikationen finden. Dr. Claudia Mäder trat als Autorin des beim UBA kostenlos bestellbaren Kinderbuches „Pia, Alex und das Klimaprojekt – Eine abenteuerliche Entdeckungsreise“ in Erscheinung. Auch hier finden sich keine Hinweise auf eine naturwissenschaftliche Tätigkeit. Das sind die Leute, die die glauben, sich als Meinungspolizei in Sachen Klima aufführen zu dürfen. Leider ist diese Hybris jetzt durch ein Gericht bestätigt worden.

 

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