Golfstrom während der Kleinen Eiszeit besonders schwach: Neues Klimamodell kann die Realität nicht nachvollziehen

Und täglich grüßt das Murmeltier. Etliche Studie zeigen unabhängig voneinander, dass der Golfstrom überaus stabil ist (z.B. hier und hier). Nur das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung will die Idee eines Golfstrom-Kollapses einfach nicht aufgeben, und nutzt seine guten Beziehungen zu den Medien, um immer wieder neue Artikel zum Thema zu platzieren. Rahmstorf-Fan Christopher Schrader von der Süddeutschen Zeitung (SZ) muss daher hoch erfreut gewesen sein, als er einen neuen Artikel im IPCC-nahen Fachblatt Nature Climate Change erspähte, über den er am 30. Juni 2015 sogleich berichtete:

Bremse für den Golfstrom
Eine wichtige Antriebskraft für die Meeresströmung, die das milde Klima nach Europa bringt, wird offenbar schwächer. Eine Ursache: Vor Grönland versinkt abgekühltes Wasser langsamer.
Eine wärmere Arktis ist eine schlechte Nachricht für Europa. Geht das Meereis zwischen Islands Norden und der grönländischen Ostküste weiter zurück, könnte das den Golfstrom schwächen. Ihm verdankt Westeuropa sein für die geografische Lage mildes Klima. Eine wichtige Antriebskraft dieser Meeresströmung sei seit 1979 bereits etwa 20 Prozent schwächer geworden, schreibt ein Team um Kent Moore von der University of Toronto in Nature Climate Change (online).

Weiterlesen in der SZ.

Aber natürlich haben auch andere Medien die Story aufgegriffen. Besonders verständlich hat scinexx.de die Idee zusammengefasst:

Zweite Bedrohung für den Nordatlantikstrom
Schwindendes Meereis schwächt Umwälzpumpe im Nordatlantik zusätzlich.

Gefahr für die Pumpe: Forscher haben eine zweite Bedrohung für die „Fernheizung Europas“ ausgemacht. Der Nordatlantikstrom wird demnach nicht nur durch einströmendes Schmelzwasser geschwächt, auch das schwindende Meereis bremst ihn aus. Denn am Eisrand gibt das von Süden kommende warme Meerwasser besonders viel Wärme ab und kann absinken. Fehlt das Eis, verlangsamt sich diese Wärmeabgabe und damit auch die nordatlantische Umwälzströmung, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“.

Weiterlesen auf scinexx.de.

Außer in ihrem Fachpaper, beschrieben die Autoren der Studie um Kent Moore ihre Ergebnisse auch in einem parallel erschienenen populärwissenschaftlichen Beitrag der u.a. in The Arctic Journal abgedruckt wurde.

Schreiten wir zur Plausibilitätsprüfung: Die arktische Meereisbedeckung hat in den letzten Jahrzehnten spürbar abgenommen, offenbar ohne Einfluss auf den Golfstrom, der stabil ist wie eh und je. Wie kann dies sein? Am besten wir betrachten klimatische Extremsituationen, wobei sich als erstes die natürliche Kältephase  der Kleinen Eisszeit anbietet, als das arktische Meereeis stark expandierte. Laut dem neuen Modell sollte der Golfstrom hiervon stark profitieren. In der Realität sieht es jedoch anders aus, wie Sediment-Untersuchungen von David Lund ergaben. Gerade während der Kleinen Eiszeit hat sich der Golfstrom offenbar spürbar abgeschwächt, ergab Lunds Studie. Das glatte Gegenteil von dem was Kent Moore und Kollegen jetzt auf Basis ihrer Modelle postulieren. Die theoretischen Simulationen rasseln mit Pauken und Trompeten durch den Faktencheck.

Und wie sieht es mit natürlichen Wärmeperioden der Vergangenheit aus? Auch hier hielt sich die Natur nicht an die theoretischen Vorgaben der Computermodelle: Während des mittelholozänen Klimaoptimums war das arktische Meer über lange Zeiträume im Sommer komplett eisfrei. Damals, vor 6000 Jahren, war es auf der Erde 1-2°C wärmer als heute. Den Golfstrom kümmerte auch dies wenig, er blieb stabil. In eine ähnliche Richtung weisen Ergebnisse der Universität Heidelberg sowie des Geomar, die dem Golfstrom trotz natürlicher Temperaturkapriolen während der letzten 140.000 Jahre eine robuste Gesundheit bescheinigten.

Überhaupt bewegt sich die Grundidee von Kent Moore und Kollegen auf wackeligem Eis. Denn schrumpfendes Meereis soll den Golfstrom zunächst schwächen, was zu mehr Kälte führt, wodurch das Meereis dann wächst, wodurch der Golfstrom erstarkt, was zu einer Erwärmung führt, wodurch das Meereis wieder abnimmt und der Golfstrom dann erschlafft, und so weiter und so weiter. Caleb kommentierte auf WUWT spöttisch:

The thing of it is, they may be on to something. Retreating sea-ice causes ocean circulation to change, which causes sea-ice to advance, which causes ocean circulation to change back.

Dem Team um Kent Moore ist natürlich bewusst, dass sie ein reines Modellierungsergebnis ohne Kalibrierung mit realen Daten präsentieren. In der offiziellen Pressemitteilung der University of Toronto sichern sie sich daher mit Konjunktiv-Formulierungen ab, auf die in den entsprechenden Zeitungsartikeln jedoch meist verzichtet wird:

“Retreating sea ice in the Iceland and Greenland Seas may be changing the circulation of warm and cold water in the Atlantic Ocean, and could ultimately impact the climate in Europe, says a new study by an atmospheric physicist from the University of Toronto Mississauga (UTM) and his colleagues in Great Britain, Norway and the United States.”

Christopher Schrader von der SZ erwähnt, dass eine wichtige Antriebskraft einer Meeresströmung seit 1979 bereits etwa 20 Prozent schwächer geworden sei. Das wollen wir genauer wissen und lesen im Original-Abstract der Arbeit nach:

Here we show that the wintertime retreat of sea ice in the region, combined with different rates of warming for the atmosphere and sea surface of the Greenland and Iceland seas, has resulted in statistically significant reductions of approximately 20% in the magnitude of the winter air–sea heat fluxes since 1979.

Könnte es andere natürliche Klimafaktoren geben, die den Rückgang um 20% erklären könnten? Haben die Autoren die natürlichen Zyklizitäten voll im Griff? Weshalb wird die Arktische Oszillation nicht erwähnt (Abbildung)? Die hat seit 1979 kräftig zugelegt und bewegt sich nach einem Hoch in den frühen 1990er Jahren heute immer noch auf einem deutlich höheren Niveau als vor 25 Jahren.

Abbildung: Entwicklung der Arktischen Oszillation (AO, Januar-März) während der vergangenen 65 Jahre. Quelle: NOAA.

 

Unterm Strich bleibt ein weiteres wackeliges Klimaalarmkonstrukt, das selbst einer einfachsten Überprüfung nicht standhält. Weshalb haben die Gutachter des Artikels nicht auf diese Defizite hingewiesen? Waren auch sie kurz vor dem Pariser Klimagipfel an möglichst spektakulären und medienwirksamen Beiträgen interessiert? Die Klimawissenschaften haben ein Glaubwürdigkeits-Problem, das dringend gelöst werden muss.

 

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