Neue Studie des Alfred Wegener Instituts: Nicht der Klimawandel, sondern Überweidung bedroht die Steppen der Mongolei

Rückblende: Im Juli 2007, auf dem Höhepunkt des Klimaalarms, brachte der Tagesspiegel eine besorgniserregende Klimahorrorgeschichte aus der fernen Mongolei:

Klimawandel bedroht Steppen und Nomaden in der Mongolei
Die endlosen Steppen der Mongolei werden seit der Zeit Dschingis Khans im 12. Jahrhundert von Nomadenvölkern bewohnt. Doch die Lebensgrundlage der Hirten ist in Gefahr: Wegen des Klimawandels dehnt sich die Wüste in dem asiatischen Land immer mehr aus. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben sich rund zwei Millionen Hektar der mongolischen Steppe seit den fünfziger Jahren in Wüste verwandelt. Die wachsende Wirtschaft und die Industrialisierung fordern das sensible Ökosystem zusätzlich heraus. Und das spüren auch die Nomaden.

Weiterlesen im Tagesspiegel.

Sieben Jahre später ist man jetzt klüger. Im Oktober 2014 erschien im Fachmagazin The Holocene die Auflösung des wissenschaftlichen Rätsels. Ist es wirklich vor allem der Klimawandel, der die Steppen bedroht? Eine Forschergruppe bestehend aus Fang Tian, Ulrike Herzschuh, Steffen Mischke und Frank Schlütz untersuchten die Vegetationsgeschichte der letzten 55 Jahre anhand von Pollen in einem Bohrkern. Die Wissenschaftler fanden, dass Überweidung und andere zu intensive Landnutzungsformen wohl die Hauptverantwortung für die Vegetationszerstörung tragen. Zudem hat der Mensch auch schädliche Veränderungen in den Wassereinzugsgebieten der Region vorgenommen. Übergeordneter Auslöser war offenbar der Übergang der Mongolei in die Marktwirtschaft in den 1990er Jahren. Ausdrücklich erklären die Forscher, dass der Klimawandel nur eine untergeordnete Rolle in der Problematik spielt.

Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit:

WHAT DRIVES THE RECENT INTENSIFIED VEGETATION DEGRADATION IN MONGOLIA – CLIMATE CHANGE OR HUMAN ACTIVITY?
This study examines the course and driving forces of recent vegetation change in the Mongolian steppe. A sediment core covering the last 55 years from a small closed-basin lake in central Mongolia was analyzed for its multi-proxy record at annual resolution. Pollen analysis shows that highest abundances of planted Poaceae and highest vegetation diversity occurred during 1977–1992, reflecting agricultural development in the lake area. A decrease in diversity and an increase in Artemisia abundance after 1992 indicate enhanced vegetation degradation in recent times, most probably because of overgrazing and farmland abandonment. Human impact is the main factor for the vegetation degradation within the past decades as revealed by a series of redundancy analyses, while climate change and soil erosion play subordinate roles. High Pediastrum (a green algae) influx, high atomic total organic carbon/total nitrogen (TOC/TN) ratios, abundant coarse detrital grains, and the decrease of δ13Corg and δ15N since about 1977 but particularly after 1992 indicate that abundant terrestrial organic matter and nutrients were transported into the lake and caused lake eutrophication, presumably because of intensified land use. Thus, we infer that the transition to a market economy in Mongolia since the early 1990s not only caused dramatic vegetation degradation but also affected the lake ecosystem through anthropogenic changes in the catchment area.

Der Tagesspiegel sollte seinen ganzen Mut zusammennehmen und über die neue Studie berichten. Ansonsten könnte man der Zeitung vorwerfen, sich bewusst auf Klimaalarmstories zu beschränken. Das will man in Berlin doch sicher vermeiden, oder? Lassen wir uns überraschen.

 

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