Handelsblatt liegt mit Klimawandelstory voll daneben: Korallen-Ökodrama entpuppt sich als El Nino-Ente

Hiobsbotschaft im Handelsblatt vom 2. Oktober 2014:

KLIMAWANDEL: Hawaiis Korallen bleichen aus
Steigende Wassertemperaturen machen den Korallen vor den Küsten Hawaiis schwer zu schaffen. An einigen Stellen sind bereits 90 Prozent der Bestände ausgebleicht. Es droht der Verlust wichtiger Ökosysteme.

Der Klimawandel heizt Hawaii auf und die Korallen leiden, so der Vorwurf. Schreiten wir zum Faktencheck. Zunächst prüfen wir die Temperaturentwicklung der Region von Hawaii. Wir ziehen hierzu den Temperaturatlas des New Scientist heran. Im Suchfeld oben rechts geben wir Hawaii ein. Wir erhalten die Oberflächentemperaturentwicklung für die vergangenen 140 Jahre (Abbildung 1). Welch Überraschung: Seit den 1940er Jahren hat sich temperaturmäßig nichts getan. Mit dem langfristigen Klimawandel kann die Korallenbleiche also nichts zu tun haben. Womit aber dann?

Abbildung 1: Temperaturentwicklung der Region von Hawaii. Aus: warmingworld.newscientistapps.com

 

Interessanterweise taucht der Begriff „Klimawandel“ im Artikel dann gar nicht mehr auf. Vielmehr wird die Ursache im El Nino gesehen, der nun wirklich nichts mit „Klima“ geschweige denn „Klimawandel“ zu tun hat. Hier die entsrpechende Passage aus dem Handelsblatt-Artikel:

Ursache für die ungewöhnlichen Wassertemperaturen sei das Auftreten des Klimaphänomens El Niño, das zur Erwärmung der zentralen Pazifikregion und weltweiten Klimaveränderungen führen.

El Ninos ereignen sich regelmäßig alle 2 bis 7 Jahre und haben in diesem Rhythmus stets die Korallen des Pazifiks in Stress versetzt und bleichen lassen. Insofern ist die Beobachtung aus diesem Jahr nichts Neues. Das Handelsblatt jedoch bauscht die Ereignisse künstlich zum angeblich noch nie dagewesenen Ökodrama auf. Schon die Wortwahl im Einleitungsabsatz des Artikels gibt die Richtung und Intention des Autors vor:

In den Gewässern vor Hawaii spielt sich ein stilles Drama ab: Ungewohnt warme Wasserströme machen den Korallen zu schaffen.

Eine seriöse Berichterstattung sieht anders aus. Die Zeitung könnte sich ein Beispiel an den Japan Times nehmen, die darauf hinweisen, dass die Bleiche kein irreversibler Vorgang sein muss:

Mass bleaching generally occurs when corals are stressed by warmer-than-normal temperatures. The warm water prompts algae inside the coral to leave, which starves coral and turns it white. Algae may return to coral, and the coral may recover, depending on how long the bleaching lasts.

Das hatte uns das Handelsblatt doch glatt unterschlagen. Passte vielleicht nicht in die Dramaturgie. Dabei hatte bereits im Oktober 2013 die amerikanische Forschungsbehörde NOAA interessante neue Forschungsergebnisse in einer Pressemitteilung bekanntgegeben. Offenbar können sich die Korallen an höhere Wassertemperaturen anpassen, so dass Bleichereignisse selbst im Zuge einer Klimaerwärmung nicht zunehmen würden. Das verwundert kaum, denn zur Zeit der Hochphase der Korallen in der geologischen Jura- und Kreidezeit war das Meer deutlich wärmer als heute. Hier die NOAA-Pressemitteilung im Original:

New study suggests coral reefs may be able to adapt to moderate climate change
Coral reefs may be able to adapt to moderate climate warming, improving their chance of surviving through the end of this century, if there are large reductions in carbon dioxide emissions, according to a study funded by NOAA and conducted by the agency’s scientists and its academic partners. Results further suggest corals have already adapted to part of the warming that has occurred. “Earlier modeling work suggested that coral reefs would be gone by the middle of this century. Our study shows that if corals can adapt to warming that has occurred over the past 40 to 60 years, some coral reefs may persist through the end of this century,” said study lead author Cheryl Logan, Ph.D., an assistant professor in California State University Monterey Bay’s Division of Science and Environmental Policy. The scientists from the university, and from theUniversity of British Columbia, were NOAA’s partners in the study.

Weiterlesen bei der NOAA.

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