Klimawandel in Österreich: So veränderte sich die Temperatur

Ein Hauptmerkmal des Klimawandels sind Veränderungen der Jahresdurchschnittstemperatur. Die instrumentell gemessenen Temperaturen Österreichs liegen für die letzten 250 Jahre vor, wobei sich das Messnetz erst im Laufe des 20. Jahrhunderts signifikant verdichtete. Die darüber hinausreichende Temperaturgeschichte Österreichs wurde in Fallstudien für die vergangenen 10.000 Jahre anhand von Höhlentropfsteinen, Seensedimenten und Baumringen rekonstruiert.

 

Letzte 30 Jahre

Die Jahresdurchschnittstemperaturen haben sich in Österreich während der vergangenen 30 Jahre um mehr als ein halbes Grad erhöht (Abb. 1). Allerdings schwankten die Temperaturen von Jahr zu Jahr um bis zu 2 Grad.

Abbildung 1: Entwicklung der Jahresdurchschnittstemperaturen in Österreich während der vergangenen 30 Jahre (1988-2017). Umgezeichnet nach ZAMG.

 

Interessanterweise läuft die Erwärmung nicht in allen Jahreszeiten und Monaten gleichmäßig ab. So ist die Temperatur in den Monaten Februar und Oktober während der vergangenen 30 Jahre in Österreich nicht angestiegen und blieb stabil (Abb. 2).

Abbildung 2: Entwicklung der Februartemperaturen in Österreich während der vergangenen 30 Jahre (1986-2015). Die grüne Linie zeigt den linearen Trend an. Daten: CRU via Weltbank.

 

Zu beachten ist, dass Trendaussagen zur Temperaturentwicklung stark vom gewählten Betrachtungsintervall abhängig sind. Oftmals kann die Hinzunahme oder das Ausklammern eines einzigen Jahres den Trend umkehren bzw. stark abschwächen. Bart Vreeken hat die Tagesdurchschnittstemperaturen ausgewählter österreichischer und europäischer Orte farblich für die vergangenen Jahrzehnte visualisiert (Mausklick auf Namen in Karte). Zu den dargestellten Orten gehören Wien, Graz, Salzburg und Sonnblick. Auf den Graphiken lässt sich die starke Variabilität der Entwicklung gut nachvollziehen.

Auf der HISTALP Webseite der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) lassen sich Temperaturzeitreihen für einzelne Stationen seit Beginn der Messungen herunterladen und visualisieren. Die Datenreihen sind „homogenisiert“, das heißt, die Originalmessdaten wurden verändert, mit dem erklärten Ziel, die Werte vergleichbar zu machen. Derartige Eingriffe sind zum Teil notwendig, jedoch nicht immer unumstritten. Am Beispiel der deutschen Station Zugspitze in unmittelbarer Grenznähe zu Österreich wird deutlich, wie unterschiedlich die nationalen Wetterdienste mit den Messdaten umgehen. Während die ZAMG im Rahmen des HISTALP-Programmes die Wärmejahre in den 1940er bis 60er Jahren um ein halbes Jahr händisch heruntersetzte und damit die Erwärmungsrate zusäzlich versteilt hat, verarbeitet der Deutsche Wetterdienst die Temperaturdaten unverändert und kommt auf eine deutlich abgebremste Erwärmung (Abb. 3).

 

Abb. 3: Vergleich der Temperaturdaten der Station Zugspitze 1946-2010 in den Versionen ZAMG/HISTALP (blau) und Deutscher Wetterdienst (DWD, rot). Graphik: Stefan Kämpe. Daten: ZAMG und DWD. Andere Quellen: KNMI Climate Explorer, BEST, Wetterzentrale.

 

Temperatur-Durchschnittswerte Gesamt-Österreichs auf Monats-, Jahreszeiten- und Jahresbasis zurückgehend bis 1961 gibt es beim ZAMG-Klimamonitoring. Um die entsprechenden Werte zu erhälten, wählt man oben auf der Seite den Datentyp, das Jahr, den Zeitraum und die Darstellung „Österreichweit“ aus. Umfangreiche Excel-Dateien für die Monatswerte der Jahre 1901-2015 kann man auf eine Webseite der Weltbank herunterladen. Diese Temperaturdaten basieren auf der Climate Research Unit (CRU) der University of East Anglia (UEA), aufbereitet durch das International Water Management Institute (IWMI). Die von HISTALP homogenisierten Temperaturdatenreihen für einzelne österreichische und einige ausländische Alpenstationen können auf Jahres- und Jahreszeitenebene hier visualisiert und heruntergladen werden (Stationskarte hier).

 

Letzte 250 Jahre

Die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur in Österreich hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts um etwa zwei Grad erhöht (Abb. 4). In den späten 1980er Jahren ereignete sich dabei ein bedeutender Sprung auf ein höheres Temperaturniveau. Vergleicht man die heutigen Temperaturen mit dem relativ warmen späten 18. Jahrhundert, so ergibt sich eine Gesamterwärmung von gut einem Grad.

Abbildung 4: Entwicklung der Jahresdurchschnittstemperatur in Österreich während der letzten 250 Jahre (rote Kurven, letzter Wert: 2017). Dargestellt sind jährliche Abweichungen vom Mittel der Jahre 1961–1990 (dünne Linien) und deren geglättete Trends (dicke Linien, 21-jähriger Gauß’scher Tiefpassfilter). Violette Kurve zeigt globale Temperaturentwicklung. Graphik: ZAMG.

 

Die Ursache für den starken Erwärmungsschub in den späten 1980er Jahren ist noch nicht vollständig verstanden. Eine wichtige Rolle kommt wohl dem Ozeanzyklus der Nordatlantischen Oszillation (NAO) zu, die zu dieser Zeit maximal positive Werte einnahm, welche danach in ihrem Ausmaß nicht mehr erreicht wurden (Abb. 5). Die NAO wird von der Sonnenaktivität mitbeeinflusst und ist ein wichtiger Steuerungsfaktor von Niederschlägen und Temperaturen in Teilen Europas.

 

Abbildung 5: Verlauf der Nordatlantischen Oszillation (NAO) während der vergangenen 140 Jahre. NAO Winter Index. Graphik: Wikipedia. By Delorme [CC BY-SA 4.0], from Wikimedia Commons.

 

Letzte 2000 Jahre

Die aktuelle Wärmephase ist nicht die einzige Erwärmungsperiode in der nacheiszeitlichen Klimageschichte. Bereits im Mittelalter vor 1000 Jahren ereignete sich eine Warmphase, die besonders gut aus dem nordatlantischen Raum bekannt ist, aber auch in vielen Regionen der restlichen Welt ausgeprägt war, z.B. in Afrika. So wurde die Mittelalterliche Wärmeperiode (MWP) bzw. Mittelalterliche Klimaanomalie (MCA) auch aus den österreichischen Zentralalpen beschrieben. Eine Forschergruppe um Augusto Mangini rekonstruierte die Wintertemperaturgeschichte anhand von Sauerstoffisotopen in Tropfsteinen der Spannagelhöhle. Dabei fanden sie eine Erwärmung von 3°C im Übergang zur MWP im 8. zum 9. Jahrhundert (Abb. 6). In diesem Zusammenhang traten offenbar starke Erwärmungsschübe auf, bei denen die Temperaturen auf natürliche Weise innerhalb weniger Jahrzehnte stark nach oben schnellten. Insofern scheint weder das heutige Temperaturniveau, noch die heutige Erwärmungsrate in Österreich im historischen Kontext beispiellos zu sein. Aufgrund der guten Übereinstimmung mit Veränderungen der Sonnenaktivität, nehmen Mangini und Kollegen eine signifikante Beteiligung der Sonne an dem beobachteten vorindustriellen Klimawandel an.

Ein warmes mittelalterliches Klima im Zusammenhang mit der MWP wurde auch vom Oberen Landschitzsee in den Niederen Tauern anhand von Pollenuntersuchungen nachgewiesen (Schmidt et al. 2007, 2008). Eine warme MWP lässt sich auch aus historischen Eisberichten des Bodensees ableiten. Zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert gab es jeweils lediglich ein oder zwei Jahre während der der Bodensee vollständig zufror (siehe Tabelle 1 in Brunner 2004: Die Seegfrörnen des Bodensees. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees u. seiner Umgebung). In der nachfolgenden Kleinen Eiszeit ereigneten sich diese „Seegfrörnen“ sehr viel häufiger. Zum Höhepunkt im 15. und 16. Jahrhundert fror der Bodensee jeweils gleich sieben Mal pro Jahrhundert zu. Im 20. Und 21. Jahrhundert gab es ähnlich wie während der MWP nur eine einzige Seegfrörne, nämlich 1963.

Abbildung 6: Temperaturentwicklung der Spannagelhöhle in den österreichischen Zentralalpen während der letzten 2000 Jahre basierend auf einer Temperaturrekonstruktion anhand von stabilen Sauerstoffisotopen in Höhlentropfsteinen (Mangini et al. 2005). Daten herunterladbar beim National Climatic Data Center (NOAA).

 

Letzte 10.000 Jahre

Erweitert man den Referenzzeitraum auf die letzten 10.000 Jahre, so wird klar, dass es eine ganze Reihe von Warm- und Kältephasen in vorindustrieller Zeit gegeben hat. In der Wissenschaft wird hier von klimatischen Millenniumszyklen gesprochen, da sich die Änderungen im Takt von 1000-2000 Jahren ereigneten. Die Zyklen sind aus allen Erdteilen beschrieben worden und könnten zumindest einen Teil ihres Antrieb aus der schwankenden Sonnenaktivität beziehen. Andere Forscher nehmen einen klimasysteminternen Puls an. Eine derartige Millenniumszyklik wurde auch aus den Zentralalpen in der Spannagelhöhle von einer Gruppe um Jens Fohlmeister nachgewiesen. Rhythmische Änderungen in den Sauerstoffisotopen in Tropfsteinen zeigen über die vergangenen 10.000 Jahre einen fortlaufenden natürlichen Klimawandel, bei dem das System zwischen warm und kalt schwankte (Abb. 7).

Insgesamt ist während der vergangenen 10.000 Jahre in Österreich ein langfristiger Abkühlungstrend erkennbar. Nach Ende der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren, stiegen die globalen Temperaturen stark an und erreichten während des sogenannten Holozänen Thermischen Maximums (HTM) ein Maximum (9000-5000 Jahre vor heute). Diese Warmphase – auch als „Atlantikum“ bekannt – ist in der Spannagelhöhle durch besonders negative Sauerstoffisotope gekennzeichnet (Abb. 7). Vor 6000 Jahren endete diese Wärmeperiode in den Zentralalpen, und es setzte eine starke Abkühlung ein. Die kälteste Phase der gesamten letzten 10.000 Jahre ereignete sich in Österreich während der Kleinen Eiszeit im 15.-19. Jahrhundert (Abb. 6, 7). Die Endphase der Kleinen Eiszeit bildet das Referenzniveau, gegen das die Moderne Erwärmung üblicherweise gemessen wird.

Abbildung 7: Natürliche Klimaschwankungen in den österreichischen Zentralalpen während der vergangenen 10.000 Jahre, rekonstruiert auf Basis von Sauerstoffisotopenschwankungen (δ18O) von Tropfsteinen der Spannagelhöhle. Einheit in Promille der Sauerstoffisotope. Daten von Fohlmeister et al. 2012, heruntergeladen von NOAA National Climatic Data Center.

 

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