Inquisition 2.0: Einschränkung der Meinungsfreiheit zum Wohle der Menschheit

Volker Reinhardt mit einer klugen Analyse am 27. April 2018 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ):

Die Freiheit des Denkens muss grenzenlos sein
Die Inquisition verfolgte alles, was nicht ins herrschende Weltbild passte. Viel haben wir seither nicht dazugelernt.

Als am 17. Februar 1600 auf dem römischen Campo-de’-Fiori-Markt der Scheiterhaufen loderte, waren sich nicht nur die Pilger des Heiligen Jahres, zu deren Erbauung das makabre Schauspiel vorrangig inszeniert wurde, sondern auch die Wohlgesinnten aller Länder einig: Derjenige, der hier lebendig verbrannt wurde, hatte es nicht anders verdient. Giordano Bruno, so sein Name, stand in weiten Teilen Europas für Ketzerei und schlimmer noch: für absolut unannehmbare, unerträgliche, nie und nimmer tolerierbare Ideen. Mit anderen Worten: Er war ein ambulanter Ansteckungsherd, der ausgemerzt werden musste, um eine weiterreichende Infektion, im schlimmsten Fall gar eine Epidemie des Irrglaubens und der verhängnisvollen Meinungen, zu verhindern.

[…] Daran hat sich bis heute nichts geändert. An die Stelle der alten Inquisitionen sind neue getreten, doch mit demselben Auftreten und demselben Anspruch: falsche Gedanken, Vorstellungen, Ideen zu unterdrücken, um die Welt vor dem Absturz ins Böse zu bewahren. So würde sich Giordano Bruno im Jahr 2018 in sehr unbehaglicher Art und Weise zu Hause fühlen.

Gewiss, die Scheiterhaufen lodern heute nicht mehr. Die Exkommunikation der Nichtwohlmeinenden besteht in Gesprächsverweigerung, Ausladung von akademischen Kolloquien, Ausgrenzung aus Kollegen- und Freundeskreisen, Boykottaufrufen und öffentlicher Anprangerung. Das Ziel aller Sanktionen ist die Einschränkung der Meinungsfreiheit, an die die Aufklärung als Forum und Regulativ einer emanzipierten Zivilgesellschaft so leidenschaftlich geglaubt hat. Darin sind sich Kardinal Giulio Santori, der Chef der römischen Zentralinquisition, die Bruno zum Feuertod verurteilte, weil er von seinen Ideen zum Kosmos nicht ablassen wollte, und heutige Korrektheitswächter vollkommen einig: Schlechte Ideen verderben den Menschen und müssen daher von ihm ferngehalten werden. […]

Ganzen Artikel in der NZZ lesen.

 

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