Große Vulkanausbrüche kühlen das Klima – aber nur wenige Jahre lang

Im heutigen Teil unserer Aerosol-Reihe geht es um die klimatisch kühlende Wirkung von Vulkanausbrüchen. Mittlerweile hat man sich geeinigt, dass die Asche einzelner Vulkanausbrüche lediglich für wenige Jahre in der Stratosphäre zirkuliert, bevor die Partikel dann zur Erde zurückrieseln und der Kühleffekt wieder allmählich verschwindet. Aus klimatischer Sicht spielen Vulkanausbrüche daher keine große Rolle. Korrekter wäre die Einstufung dieser explosiven Ereignisse in die Kategorie „Wetter“.

Vorangegangene Versuche, die Kleine Eiszeit mit Vulkanausbrüchen zu erklären rufen heute nur noch ein mildes Schmunzeln hervor (siehe „Die Kleine Eiszeit als weltweite Kältephase: Welche Rolle spielten die Vulkane?“). Eine der vielen Sackgassen in der Wissenschaft. Trotzdem ist es wichtig, die Vulkanhistorie und ihre kurzfristigen Auswirkungen auf die Temperaturgeschichte zu verstehen. In den letzten Jahren hat es hierzu eine Reihe von neuen Arbeiten und Artikeln gegeben, die wir hier vorstellen wollen.

Da wäre zunächst einmal eine Studie von Sigl et al. 2014 in Nature Climate Change. Anhand von Aschelagen in antarktischen Eiskernen rekonstruierten diese Forscher die Historie großer Vulkanausbrüche für die vergangenen 2000 Jahre. Dabei fanden sie für die ersten 1500 Jahre starke Abweichungen von der bisherigen vulkanischen Geschichtsschreibung, wobei Diskrepanzen in der klimatischen Kühlwirkung von 20-50% auftraten. Eine korrekte Datenbasis ist jedoch die Grundlage für Modellierungen, da diese mit der historischen Entwicklung abgeglichen und kalibriert werden. Offenbar hat man hier in der Vergangenheit mit einer sehr unsicheren und fehlerhaften Datenbasis gearbeitet. Im Folgenden ein Auszug aus der Kurzfassung des Papers:

Insights from Antarctica on volcanic forcing during the Common Era
[…] Whereas agreement with existing reconstructions is excellent after 1500, we found a substantially different history of volcanic aerosol deposition before 1500; for example, global aerosol forcing values from some of the largest eruptions (for example, 1257 and 1458) previously were overestimated by 20–30% and others underestimated by 20–50%.

Eine noch aktuellere Vulkanrekonstruktion stammt von Baillie & McAneney, die ihre Ergebnisse im Januar 2015 im Fachblatt Climate of the Past veröffentlichten. Auch diese Studie basiert auf antarktischen Eiskernen, umfasst aber nur die ersten 1000 Jahre nach Christi Geburt. Dabei thematisieren die Autoren große Unsicherheiten in der Altersdatierung, die in verschiedenen Studien zu stark unterschiedlichen Resultaten führen. Hier besteht offenbar noch massiver Forschungsbedarf.

Eine Wissenschaftlergruppe um Martin Tingley von der Pennsylvania State University nahm die Ausbrüche des Krakatau (1883) und Novarupta (1912) näher unter die Lupe. Die Forscher fanden, dass die klimatische Abschätzung der Abkühlung über Baumringe im Gegensatz zu den realen Temperaturmessdaten deutlich zu hoch ausfiel. Dies gilt insbesondere für Gegenden in höheren geographischen Breiten, wo die Baumringe neben der Temperatur auch auf Veränderungen im Tageslicht reagieren. Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit, die im November 2014 in den Geophysical Research Letters erschien:

Temperature reconstructions from tree-ring densities overestimate volcanic cooling
The fidelity of inferences on volcanic cooling from tree-ring density records has recently come into question, with competing claims that temperature reconstructions based on tree-ring records underestimate cooling due to an increased likelihood of missing rings or overestimate cooling due to reduced light availability accentuating the response. Here we test these competing hypotheses in the latitudes poleward of 45°N, using the two eruptions occurring between 1850 and 1960 with large-scale Northern Hemisphere climatic effects: Novarupta (1912) and Krakatau (1883). We find that tree-ring densities overestimate postvolcanic cooling with respect to instrumental data (Probability≥0.99), with larger magnitudes of bias where growth is more limited by light availability (Prob.≥0.95). Using a methodology that allows for direct comparisons with instrumental data, our results confirm that high-latitude tree-ring densities record not only temperature but also variations in light availability.

Siehe hierzu auch einen Artikel vom Cato Institut.

Auch andere Fallstudien förderten Interessantes zutage. Im Januar 2013 beschäftigte sich in den Geophysical Research Letters eine Forschergruppe um Jiandong Xu mit den klimatischen Auswirkungen eines großen Vulkanausbruchs 946 n. Chr. in China. Der Ausbruch des Changbaishan Vulkans war einer der stärksten der letzten 2000 Jahre. Seltsamerweise fanden die Autoren im grönländischen Eis keine entsprechende Aschenlage. Offenbar gelangten die vom Vulkan in die Stratosphäre geschleuderten Sulfatoxide nicht in die Arktis. Das Forscherteam schließt daraus, dass die klimatischen Auswirkungen dieses starken Vulkanausbruchs wohl eher regional begrenzt gewesen sein müssen und keinen globalen Charakter hatten. Hier die Kurzfassung:

Climatic impact of the Millennium eruption of Changbaishan volcano in China: New insights from high-precision radiocarbon wiggle-match dating
Changbaishan volcano in northeast China
, previously dated to have erupted around the mid-10th century A.D., is renowned for producing one of the largest eruptions in history (magnitude 6.8) and thus speculated to have substantial climatic impact. Here we report a new high-precision 14C wiggle-match age of A.D. 946 ± 3 obtained from a 264 year old tree trunk (with bark) killed during the eruption, using the OxCal’s Bayesian modeling approach with 27 sequentially sampled annual rings of decadal intervals. The new chronology conforms well to the calendar date of A.D. 946 for the eruption inferred from historical documentary evidence. We find no stratospherically loaded sulfate spike that might be associated with the A.D. 946 eruption in the global volcanism record from the GISP2 ice core, suggesting the stratospheric sulfate aerosols produced during the eruption were not transported to the arctic region, due probably to its relatively low stratospheric sulfur emission and the seasonal effects of the atmospheric circulation at the time of the eruption that likely occurred in the winter of A.D. 946–947. Since the stratospheric volcanic sulfates are the main cause of large-scale climate perturbations, this finding indicates that the Millennium eruption of Changbaishan volcano might have limited regional climatic effects, rather than global or hemispheric impact as implied by its magnitude.

Im Dezember 2012 publizierte ein Forscherteam um Anja Schmidt von der University of Leeds im Journal of Geophysical Research eine Analyse des isländischen Laki-Ausbruchs von 1783. Damals gelangten große Mengen an Schwefeldioxid in die Stratosphäre, und die Temperaturen der nördlichen Halbkugel sackten drei Jahre lang deutlich ab. Hier die Kurzfassung:

Climatic impact of the long-lasting 1783 Laki eruption: Inapplicability of mass-independent sulfur isotopic composition measurements
The long-lasting 1783–1784 CE Laki flood lava eruption in Iceland released around 120 Tg of sulfur dioxide into the upper troposphere/lower stratosphere. Northern Hemisphere temperature proxy records of the 1780s indicate below-average temperatures for up to three years following the eruption. The very warm summer of 1783 in Europe, which was followed by a very cold winter, may have been caused by the eruption, but the mechanisms are not yet well understood. Some studies attributed the cold winter 1783–1784 to natural variability of climate. However, our climate model simulations show that the Laki radiative effects lasted long enough to contribute to the winter cooling. […]

Ein weiterer bedeutender Ausbruch ereignete sich 1815 in Indonesien. Der Vulkan Tambora bescherte Europa und Nordamerika das berühmte „Jahr ohne Sommer“. Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums berichtete Die Zeit am 5. April 2015:

Es ist die erste Klimakatastrophe der Neuzeit und eine frühe Erfahrung globaler Zusammenhänge: Nachdem im Frühjahr 1815 der indonesische Vulkan Tambora ausgebrochen war, vereiste Nordamerika, und in Europa blieb der Sommer aus. […] Gas und Asche, schätzt man, wurden bis auf eine Höhe von 43 Kilometer in die Stratosphäre geschleudert. Die Menge des in die Luft geworfenen Materials dürfte mehr als 100 Kubikkilometer betragen haben. Der Vulkanologe Clive Oppenheimer von der Universität Cambridge vermutet, dass nur ein einziger Ausbruch in den letzten beiden Millennien noch höhere Schichten der Atmosphäre erreicht hat – jener des Taupo auf Neuseeland, für den Höhen bis zu 51 Kilometer errechnet wurden. Er ereignete sich 181 nach Christus, als Europa unter der Herrschaft der Römer stand.  […] Aufgrund der äquatornahen Lage des Tambora ziehen die Aerosolwolken 1815 um den ganzen Globus und absorbieren vielerorts große Mengen Sonnenlicht. Die Eruption führt dadurch 1816 zu einem in der Neuzeit einzigartigen Phänomen: dem „Jahr ohne Sommer“. […] In Nordamerika sehen die Menschen 1816 nach einem bitterkalten Winter – „der Körper zittert und schrumpft durch die Kälte, die wir durchmachen“, notiert Ex-Präsident Thomas Jefferson im Januar – hoffnungsvoll dem Sommer entgegen. Doch stattdessen kehrt nach einem kurzen Frühjahr der Winter zurück. „Die Häuser, die Straßen, die Plätze der Stadt sind vollständig mit Schnee bedeckt“, schreibt die Quebec Gazette am 8. Juni, „und dem ganzen umgebenden Land geht es genauso; es sieht aus wie im Dezember.“

Ganzen Artikel auf zeit.de lesen.

Ein paar Tage zuvor hatte bereits die University of California Berkeley im Rahmen einer Pressemitteilung das Jubiläum „gefeiert“ („200th anniversary of Tambora eruption a reminder of volcanic perils“). In einem Beitrag vom 31. Mai 2013 im Standard warnt der Geologe Wolfgang Vetters von der Universität Salzburg vor einer Wiederholung eines solchen Ereignisses:

„Kleine Eiszeit“ durch künftigen Mega-Vulkanausbruch wahrscheinlich
Der Ausbruch des Tambora-Vulkans auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815 war die heftigste Vulkan-Eruption der letzten 25.000 Jahre und hatte unmittelbare Auswirkungen auf den gesamten Globus: Das folgende Jahr galt in Europa im Volksmund als „Jahr ohne Sommer“. Der Schnee blieb den ganzen Sommer lang bis unter 1.000 Meter liegen und es kam zu Missernten, Hungersnöten und Wirtschaftskrisen. Dafür waren die Sonnenuntergänge des Biedermeier wegen des hohen Staubanteils in der Atmosphäre außerordentlich farbenprächtig. Was in den Jahren nach dem Ausbruch geschah, könnte auch heute passieren: Kommt es zu einem heftigen Ausbruch eines großen Vulkans, könnte dies weltweit gleichsam eine kleine Eiszeit bringen und die Folgen des Klimawandels zumindest für ein paar Jahrzehnte ungeschehen machen, erklärte der Geologe Wolfgang Vetters vom Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Salzburg anlässlich eines Vortrages am Naturhistorischen Museum Wien (NHM).

Weitere 20 Jahr später gab es 1835 eine schwere Vulkaneruption in Nicaragua, die ein Forscherteam um Marc-Antoine Longpré in einem Beitrag in den Geophysical Research Letters im Oktober 2014 auswertete. Sie dokumentierten dazugehörige Schwefellagen in den arktischen und antarktischen Eiskernen, die eine globale Ausbreitung der kleinen vulkanischen Partikel belegt. Zudem konnten die Wissenschaftler anhand von Baumringen und Temperaturmesswerten eine globale Abkühlung in den Folgejahren des Ausbruchs nachweisen. Hier die Kurzfassung:

Sulfur budget and global climate impact of the A.D. 1835 eruption of Cosigüina volcano, Nicaragua
Large explosive volcanic eruptions can inject massive amounts of sulfuric gases into the Earth’s atmosphere and, in so doing, affect global climate. The January 1835 eruption of Cosigüina volcano, Nicaragua, ranks among the Americas‘ largest and most explosive historical eruptions, but whether it had effects on global climate remains ambiguous. New petrologic analyses of the Cosigüina deposits reveal that the eruption released enough sulfur to explain a prominent circa A.D. 1835 sulfate anomaly in ice cores from both the Arctic and Antarctic. A compilation of temperature-sensitive tree ring chronologies indicates appreciable cooling of the Earth’s surface in response to the eruption, consistent with instrumental temperature records. We conclude that this eruption represents one of the most important sulfur-producing events of the last few centuries and had a sizable climate impact rivaling that of the 1991 eruption of Mount Pinatubo.

Wahl et al. (2014) untersuchten die Klimafolgen tropischer Vulkane in Nordamerika für die vergangenen 500 Jahre. Die Forscher fanden, dass Kühleffekte nur bis zu 5 Jahre nach Ausbruch reichten.

Trotz aller wissenschaftlichen Fortschritte verbergen sich in der Klimageschichte noch immer einige große Ungereimtheiten. In etlichen Fällen scheinen sich große Vulkanausbrüche nach der Abkühlung ereignet zu haben, die sie angeblich hervorgerufen haben, wie Willis Eschenbach auf WUWT darstellte. Hier gibt es noch etliche Rätsel zu lösen. Da wundert es dann auch nicht, dass ein Forscherteam um Simon Driscoll herausfand, dass die gängigen Klimamodelle die klimatischen Folgen großer Vulkanausbrüche noch immer nicht überzeugend reproduzieren können. Die Arbeit erschien im September 2012 im Journal of Geophysical Research.

Vulkane haben die Menschen seit eh und je fasziniert. Das Spiel der rohen Naturgewalten erinnert an die im Bauch der Erde schlummernden Urkräfte. Zu den liebsten vulkanischen Urlaubsregionen der Deutschen zählen sicher die Kanarischen Inseln. So mancher Besucher wird sich schon gefragt haben, wie die Inseln wohl entstanden sind. Ein seit kurzem kostenfrei auf Youtube verfügbarer Dokumentarfilm bringt nun Antworten. In dem 52-minütigen Streifen „La Palma – Der schlummernde Feuerdrache“ wird die geologische Entstehungsgeschichte der Kanareninsel erzählt, vom unscheinbaren Unterwasservulkan zur vulkanisch aktivsten Insel des Archipels. Hauptattraktionen La Palmas sind ein riesiges Loch im Zentrum der Insel (die Caldera de Taburiente) und der spektakuläre, mit unzähligen Kratern gespickte Cumbre-Rücken im Süden. Der Film verknüpft Naturaufnahmen mit Animationsgraphiken der wichtigsten vulkanischen Vorgänge, 3D-Satellitenflüge sowie Erläuterungen von La Palma- Experten der Universität Bremen. Einer der beiden Autoren des Films ist Sebastian Lüning, Webmaster des Kalten-Sonne-Blogs. Viel Vergnügen beim Anschauen:

 

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