Europäische Hochwässer der letzten 50 Jahre ohne Trend in ihrer Intensität

Am 11. August 2017 erschien in Science eine Studie zur Hochwasserentwicklung in Europa während der vergangenen 50 Jahre eines Teams von mehreren Dutzend Wissenschaftlern um Günter Blöschl. Gleich in der Einleitung räumen die Forscher ein, dass bisher noch kein Trend in der Stärke der Hochwässer zu verzeichnen ist, trotz Klimaerwärmung. Allerdings haben sie eine jahreszeitliche Verschiebung festgestellt. Abstract:

Changing climate shifts timing of European floods
A warming climate is expected to have an impact on the magnitude and timing of river floods; however, no consistent large-scale climate change signal in observed flood magnitudes has been identified so far. We analyzed the timing of river floods in Europe over the past five decades, using a pan-European database from 4262 observational hydrometric stations, and found clear patterns of change in flood timing. Warmer temperatures have led to earlier spring snowmelt floods throughout northeastern Europe; delayed winter storms associated with polar warming have led to later winter floods around the North Sea and some sectors of the Mediterranean coast; and earlier soil moisture maxima have led to earlier winter floods in western Europe. Our results highlight the existence of a clear climate signal in flood observations at the continental scale.

Nun sind 50 Jahre nicht gerade sehr viel. Wenn man einige Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zurückschaut, so kann man vermutlich ähnliche zeitliche Verschiebungen erwarten. Insofern sind die beobachteten Veränderung kein Beweis für eine außergewöhnliche, möglicherweise anthropogene Entwicklung. Hier die dazugehörige Pressemitteilung der Universität Wien vom 11. August 2017 zur Studie:

Der Klimawandel verschiebt Europas Hochwässer

Ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Hochwässern ist nun erstmals klar belegt. Eine von der TU Wien geleitete Studie zeigt: Der Zeitpunkt der Hochwässer verschiebt sich dramatisch.

Wenn ein Fluss mit ungewohnter Heftigkeit über die Ufer tritt, ist es naheliegend, den Klimawandel dafür verantwortlich zu machen. Doch ein Einzelereignis ist kein Beweis – und so war bisher unklar, ob der Klimawandel einen direkten Einfluss auf Fluss-Hochwässer in Europa hat.

In einem internationalen Großprojekt, geleitet vom Hochwasserexperten Prof. Günter Blöschl von der TU Wien, wurden nun Datensätze aus 50 Jahren von über 4000 hydrometrischen Stationen aus 38 europäischen Ländern gesammelt und ausgewertet. Das Ergebnis: Der Klimawandel hat tatsächlich einen deutlichen Einfluss auf Hochwasserereignisse. Erkennen lässt sich das am besten daran, dass sich das Auftreten der Hochwässer über die Jahre zeitlich verschiebt. Je nach Ursache der Hochwasserereignisse treten sie in manchen Regionen immer früher auf, in anderen immer später. Publiziert wurden die Ergebnisse nun im Fachjournal „Science“.

Die Intensität verrät nicht alles
„In der Hochwasserforschung beschäftigen wir uns oft mit der jährlichen Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Hochwässern“, sagt Prof. Günter Blöschl (Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, TU Wien). „Auch ihre Intensität wird erhoben – und so definiert man etwa ein hundertjähriges Hochwasser als ein Hochwasserereignis einer Stärke, das jedes Jahr nur mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Prozent eintritt.“

Doch um den Einfluss des Klimawandels zu untersuchen sind Wahrscheinlichkeiten und absolute Intensitäten nicht die besten Parameter. Sie hängen nämlich nicht nur vom Klima ab: „Wenn man sich nur die Intensität von Hochwasserereignissen ansieht, wird die Rolle des Klimas von anderen Effekten maskiert“, erklärt Günter Blöschl. „Die Landnutzung, etwa Versiegelung von Flächen oder intensive Landwirtschaft, oder auch der Rückgang von wasserspeichernden Auwäldern – all das hat einen sehr starken Einfluss auf Hochwasserereignisse.“

Der Zeitpunkt gibt Auskunft über den Klima-Einfluss
Um dem Zusammenhang zwischen Klima und Hochwasser trotzdem auf die Spur zu kommen, sah sich Blöschl mit seinem Team genau an, zu welcher Jahreszeit die Hochwasserereignisse in unterschiedlichen Regionen Europas auftreten. „Der Zeitpunkt eines Hochwassers gibt nämlich Aufschluss über seine Ursache“, sagt Blöschl.

So treten etwa in England und im Mittelmeerraum Hochwässer eher im Winter auf, weil dann die Verdunstung gering ist und die Niederschläge intensiv sind. In Österreich hingegen sind Hochwässer im Sommer häufig, nach heftigem Starkregen. In Nordosteuropa wiederum ist zur Zeit der Schneeschmelze im Frühling die Hochwassergefahr am höchsten. Der Zeitpunkt, an dem das Hochwasser auftritt, hat also mit dem Klima viel unmittelbarer zu tun als die absolute Höhe des Hochwasserereignisses.

So wurden in jahrelanger, mühevoller Arbeit Hochwasserdaten aus ganz Europa zusammengesammelt, aufbereitet und mit Hilfe von Modellrechnungen analysiert. Dabei zeigte sich tatsächlich, dass sich die Hochwässer in Europa in den letzten 50 Jahren zeitlich ganz deutlich verschoben haben: „Im Nordosten Europas, in Schweden, Finnland und im Baltikum kommen die Hochwässer heute um einen Monat früher als in den 60er und 70er Jahren. Damals traten sie durchschnittlich im April auf, heute im März“, sagt Günter Blöschl. „Das liegt daran, dass der Schnee heute bereits früher schmilzt als damals.“ In England und Norddeutschland hingegen kommt das Hochwasser heute um etwa zwei Wochen später als damals. „Der Klimawandel ändert den Luftdruckgradienten, das führt dort zu später auftretenden Winterstürmen“, erklärt Blöschl. An den Atlantikküsten Westeuropas führt der Klimawandel dazu, dass früher im Jahr das Maximum an Bodenfeuchte erreicht ist, und in Teilen der Mittelmeerküste führt die Erwärmung des Mittelmeers dazu, dass die Hochwasserereignisse immer später auftreten.

„Den Zeitpunkt der Hochwässer in ganz Europa über viele Jahre hinweg analysieren zu können, gibt uns ein sehr sensibles Sensorium, um die Ursachen des Hochwassers zu klären“, sagt Günter Blöschl. „So können wir Zusammenhänge nachweisen, über die man bisher nur spekulieren konnte.“

Ein wissenschaftliches Großprojekt wie dieses ist außergewöhnlich arbeitsaufwändig – möglich wurde es durch einen ERC Advanced Grant, mit dem Günter Blöschl im Jahr 2012 ausgezeichnet wurde. Mit dem Fördergeld des ERC Advanced Grants konnte er seine Forschungsgruppe vergrößern, zahlreiche internationale Kooperationen begründen und so den Zusammenhang zwischen Klima und Hochwasser genau unter die Lupe nehmen.

Originalpublikation: Blöschl et al., Changing climate shifts timing of European floods, Science, 2017.

Siehe auch Bericht in der Tageszeitung ‘Die Presse’ berichtete über die Studie.

Im Juli 2016 erschien in Quaternary International eine Studie von Elena Voskresenskaya und Elena Vyshkvarkova zur Niederschlagsentwicklung auf der Krim, ebenfalls für die letzten 50 Jahre. Dabei fanden sie für verschiedene Regionen und Jahreszeiten unterschiedliche Trends. Allerdings scheinen die Ozeanzyklen einen Teil der Variabilität zu erklären:

Extreme precipitation over the Crimean península
Based on daily precipitation data for 1951–2009 from 18 hydrometeorological stations all over the Crimean peninsula, a 58-year data series of extreme precipitation parameters (precipitation concentration, level of extreme precipitation and number of days with extreme precipitation) were calculated. Linear trends of calculated parameters are estimated in this paper. Manifestations of the Pacific decadal oscillation (PDO) of the extreme precipitation changes were analyzed. The precipitation concentration is found to increase in the Crimean Mountains region in the winter season, but in the summer season the precipitation concentration is characterized by uniform distribution. Linear trends of the winter and summer precipitation concentration during the last 58 years are predominantly negative over Crimea. The maximum values of precipitation level in the winter season are typical for the Crimean Mountains region. In the summer season, values of precipitation change insignificantly. The number of days with extreme precipitation exhibits decreasing trends in the winter season over the territory of Crimea. In the summer season, the number of days with extreme precipitation in south-eastern part of Crimea has increasing trends. The negative PDO phase in the winter season was found to accompany increased precipitation concentration (up to 11%) all over Crimea and by decreased concentration (up to 4%) in the summer season in central, southern, and eastern regions of Crimea. The number of extreme precipitation days in the winter season is up to 30% higher in the negative PDO phase over the whole territory of Crimea, while in the summer it is up to 60% lower in the south-eastern part of peninsula.

Andere Studien gehen deutlich weiter zurück in der Zeit. Eine Rekonstruktion der Niederschläge in der Tschechischen Republik während der letzten 1250 Jahre gelang Dobrovolný und Kollegen, die ihre Baumringstudie im Oktober 2015 in Climate of the Past veröffentlichten. Besonders feuchte Sommer ereigneten sich offenbar im 18. und 13. Jahrhundert, während das 19. Jahrhundert wohl eher trocken ausfiel. Hier der Abstract:

A tree-ring perspective on temporal changes in the frequency and intensity of hydroclimatic extremes in the territory of the Czech Republic since 761 AD
It is generally accepted that anthropogenic-induced climate change may affect the frequency and intensity of hydrological extremes, together with a variety of subsequent impacts on ecosystems and human society. Proxy records that are absolutely dated and annually resolved are indispensable to a better understanding of temporal changes in the occurrence of floods and droughts.
This contribution presents a new data set of 3194 oak (Quercus spp.) ring width samples from living trees and historical timbers, collected across the Czech Republic. A composite tree-ring width (TRW) chronology is developed that best captures the high-frequency extremes over the past 1250 years. The temporal distribution of negative and positive extremes is regular with no indication of clustering. The highest number of negative extremes was found in the 19th century, while positive extremes were most frequent in the 12th century. The lowest number of negative and positive extremes occurred in the 18th and 13th centuries respectively.

Negative and positive TRW extremes were compared with the instrumental measurements back to 1805 AD, with documentary-based temperature and precipitation reconstructions from 1804 to 1500, and with documentary evidence before 1500 AD. Negative TRW extremes coincided with above-average March–May and June–August temperature means and below-average precipitation totals. Positive extremes coincided with higher summer precipitation, while temperatures were mostly normal. Mean sea level pressure (SLP) over the European/North Atlantic sector suggested drought for the negative oak TRW extremes, whereas the positive extremes corresponded to wetter conditions overall. More consistent patterns of synoptic SLP were found for negative rather than for positive extremes. Reasons for the possible offset between the oak-based hydroclimatic extremes and their counterparts from meteorological observations and documentary evidence may be manifold and emphasize the need for multi-proxy approaches.

 

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