Ein Thema das die Medien meiden wie der Teufel das Weihwasser: Vor 5000 Jahren war es in Grönland zwei bis drei Grad wärmer als heute

Wenn eine Debatte allzu aufgeregt und extrem wird, hilft es oft, wenn man ein paar Schritte Abstand gewinnt und sich die Diskussion aus der Vogelperspektive betrachtet. In welchem größer-maßstäblichem Kontext spielen sich die Dinge ab? Welche Zusammenhänge bestehen, welche Verknüpfungen sind aus empirischer Sicht eher unwahrscheinlich? Wir wollen im Folgenden die grönländische Eisschmelze im Lichte der letzten zehn Jahrtausende diskutieren.

Im September 2012 erschien im Fachmagazin Climate of the Past Discussions eine Arbeit eines Forscherteams um Takuro Kobashi vom japanischen National Institute of Polar Research in Tokio. Mithilfe von Argon- und Stickstoffisotopen aus Luftbläschen in einem Eisbohrkern rekonstruierten die Wissenschaftler die Temperaturgeschichte Grönlands für die vergangenen 4000 Jahre. Das Ergebnis: Bereits zur Mittelalterlichen Wärmeperiode war es in Grönland sehr warm gewesen (Abbildung 1). Die Autoren zeigten außerdem in ihrer Arbeit, dass die Temperaturen der letzten 4 Jahrtausende maßgeblich durch Sonnenaktivitätsschwankungen beeinflusst wurden (siehe S. 4841 des Manuskripts: „As during the past 800 yr, the GTA [Greenland Temperature Anomaly] over the past 4000 yr was significantly influenced by solar variability”). Auch halten es die Autoren für möglich, dass der von Gerard Bond vor mehr als zehn Jahren entdeckte Temperaturzyklus zum Teil auf solare Ursachen zurückgeht (S. 4845: „The 2.8 ka event and the Little Ice Age  were parts of the Bond cycle that persisted in the North Atlantic with a 1500 yr period. As the Little Ice Age and the 2.8 ka event can be explained by volcanic and solar forcings, the Bond cycle may well be caused by these forcings”). Siehe auch Michael Krügers Zusammenfassung auf Readers Edition zu einer früheren Studie des Kobashi-Teams zum gleichen Thema.

 

Abbildung 1: Temperaturentwicklung Grönlands für die vergangenen 1000 Jahre (aus Kobashi et al. 2012).

 

Im Oktober 2012 erschien in den Quaternary Science Reviews eine Studie eines Teams vom Dartmouth College in New Hampshire um Laura Levy. Die Gruppe untersuchte einen Gletscher am Südwestrand des Grönländischen Eisschildes und fand enorme vor-industrielle Schwankungen der Gletscherlänge. So schmolz das Eis während des holozänen Klimaoptimums vor einigen tausend Jahren stark ab und wuchs im Zuge der Kleinen Eiszeit stark an.

Im März 2013 veröffentlichte eine internationale Forschergruppe um Benoit Lecavalier von der University of Ottawa in den Quaternary Science Reviews eine Studie zur Temperaturgeschichte Grönlands der letzten 8000 Jahre. Dabei unternahmen sie auch eine Neubewertung der grönländischen Hebungsgeshichte, die Einfluss auf die Sauerstoffisotopen in Eiskernen hat, welche oft zur Temperaturrekonstruktion herangezogen werden. Die neuen Resultate brachten etwas Überraschendes: Die Temperatur Grönlands hat sich in den letzten 8000 Jahren um etwa 2,5°C abgekühlt (Abbildung 2). Interessant am Rande: Offenbar blieb das Eis trotz enormer Wärme vor einigen tausend Jahren ziemlich stabil. Ein dramatischer Eiskollaps – wie ihn einige IPCC-nahe Forscher für ähnliche Temperaturen derzeit annehmen – blieb aus.

 

Abbildung 2: Signifikante Abkühlung in Grönland während der letzten 8000 Jahre (aus: Lecavalier et al. 2013).

 

Im Januar 2013 war bereits eine Studie eines US-amerikanisch-kanadisch-britischen Forscherteams in den Quaternary Science Reviews erschienen. Die Gruppe um Yarrow Axford von der Northwestern University in Illinois untersuchte die grönländische Temperaturgeschichte der letzten 10.000 Jahre anhand von Seenablagerungen. Dabei stellten sie fest, dass Grönland in der Zeitspanne 6000 bis 4000 Jahre vor heute im Sommer etwa 2-3°C wärmer als heute gewesen ist. Die Gletscher waren zu dieser Zeit deutlich kürzer als heute. Die Forscher registrierten zudem mehrere abrupte natürliche Klimaschwankungen.  Auch Hughes et al. (2012) berichteten im März 2012 in einem Geology-Artikel über das warme holozäne Klimaoptimum in Grönland.

Im November 2012 berichtete eine Forschergruppe um Samuel Kelley von der University at Buffalo im US-Bundesstaat New York über ein überraschendes Phänomen. Während grönländische Gletscher an den Küsten derzeit schmelzen, wuchsen viele Gletscher im Landesinneren während des 20. Jahrhunderts kräftig an und erreichten ihre größte Ausdehnung der letzten paar tausend Jahre. Kelley und Kollegen veröffentlichten ihre Arbeit in den Quaternary Science Reviews und vermuten, dass es sich bei dem unerwarteten Gletscherzuwachs um eine Spätfolge der Kleinen Eiszeit handelt.

Die Forschung macht gute Fortschritte und ist auf einem guten Wege, die faszinierende Klimageschichte Grönlands für die letzten 10.000 Jahre der Nacheiszeit zu dokumentieren. Die Ergebnisse sind spektakulär, möchte man meinen. Denn sie setzen die heutige Eisschmelze in einen robusten Kontext. Das richtig Überraschende dabei ist jedoch, dass keine einzige der hier vorgestellten jüngeren Arbeiten von den deutschen Medien aufgegriffen wurde, wie eine Internetrecherche ergab. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass hier bewusst kritische Mosaiksteinchen zur Klimadiskussion unter den Tisch fallen gelassen werden, um den Erzählstrang der angeblich drohenden Klimakatastrophe nicht zu beschädigen.

 

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