Die Sonne im Juni 2018 und das arktische Klima

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Die Sonne war (wie könnte es anders sein in diesen Jahren) auch im Juni nur unterdurchschnittlich aktiv. Die festgestellte mittlere monatliche SSN (für SunSpotNumber) von 15,9 erreicht nur ein Niveau von 50% des Mittelwertes für Monat 115 aller 23 bisher systematisch beobachteten Solarer Zyklen (SC für Solar Cycle). An 9 Tagen des Monats blieb die Sonne gänzlich fleckenlos und alle Aktivität spielte sich ausschließlich auf der Nordhemisphäre der Sonne ab. Die Südhemisphäre scheint schon im tiefen Minimum angekommen zu sein.   Bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichtes im Juli blieb die Sonne 24 Tage am Stück ohne jeden Fleck, nicht untypisch für ein ausgeprägtes Aktivitätsminimum.

Abb.1: Der aktuelle Zyklus 24 (rot) ab Dezember 2008 (rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus (blau) und dem über lange Zeiträume recht ähnlichen Zyklus 5 ( schwarz).

 

In Abb.1 ist gut zu sehen, dass auch der Zyklus 5 schon gänzlich fleckenfreie Monate (SSN=0) zu diesem Zeitpunkt im Zyklus aufwies und trotzdem später wieder Flecken zu beobachten waren. So etwas ist also nicht ungewöhnlich und keine Überschriften in Boulevardmedien wert.

Wie wir bereits vor einigen Monaten berichteten entwickeln sich die polaren solaren Felder so, dass die Vorhersage eines ähnlich schwachen Folgezyklus recht wahrscheinlich ist. Er könnte etwas stärker ausfallen als der jetzt auslaufende, eine mittlere Stärke wie etwa der Zyklus 23 ( Mai 1996-November 2008) ist jedoch nicht zu erwarten.

Abb.2: Die bisher systematisch beobachteten Zyklen seit 1755 im Vergleich. Die Aktivität ist berechnet, indem die monatlichen Differenzen der SSN zu einem mittleren Zyklus (blau in Abb.1) pro Zyklus aufsummiert wurden.

 

Die Phase einer geringen Aktivität unseres Sterns wird also sehr wahrscheinlich weitergehen. Es könnte sein, dass wir ein recht langes Minimum erleben, also sehr wenig Sonnenwind über einen vergleichsweise langen Zeitraum entsteht. Das hat zur Folge, dass galaktische Strahlung  (GCR) verstärkt auch die Erde beaufschlagt. Die GCR  wird seit Jahrzehnten von Messstationen aufgezeichnet, hier die Daten aus Finnland:

Abb.3: Die monatlichen Daten des Neutronenzählers in Oulu. Quelle.

 

Man sieht sehr deutlich, wie die Minima Ende der 60 er Jahre bis in die neunziger Jahre auf Grund der starken solaren Maxima tiefer wurden und seitdem wieder zurückgingen.  Als Folge des letzten solaren Minimums erreichte die Strahlung bereits ab 2007 hohe Werte und sie ging wenig zurück als Folge des schwachen Zyklus zwischen 2010 und jetzt. Über Auswirkungen langer Phasen mit viel galaktischer Strahlung auf das Klima und anderen Umweltfaktoren wird nach wie vor diskutiert, wir sind Zeuge eines bisher nicht möglichen Feldversuches dank der geringen Langzeitaktivität unserer Sonne.

 

Aktuelles aus der Arktis

Jedes Jahr erreicht die Sonnenstrahlung in der Arktis im Sommer sehr hohe Werte, die Einstrahlung ist dann deutlich höher als in den Tropen:

Abb.4: Die Sonneneinstrahlung am Äquator ( blau) , in den Subtropen ( grün) sowie in der Arktis (rot) und am Nordpol ( gelb) über das Jahr. Quelle  Zwischen Mai und Anfang August wärmt die Sonne über 24 Stunden am Tag am Pol mehr als am Äquator.

 

Und das hat Folgen: das Eis der Arktis taut teilweise auf im Sommer, wie nicht anders zu erwarten bei so viel „Heizung“ durch die Sonne. Die Ausdehnung der Eisfläche („Extent“) wird seit 1979 mithilfe von Satelliten bestimmt. Im jährlichen Minimum (September) ergibt sich diese Langzeitbeobachtung:

Abb.5: Die Eisausdehnung im September nach Daten des NSIDC. Der lineare Langzeittrend (gestrichelt) und eine 11-jährige Glättung (fett).

 

Eine Abnahme der Eisausdehnung ist unübersehbar. Besonders in den Jahren nach 2005 ging es bedrohlich abwärts und 2012 setzte nach 2007 einen Rekord, der seitdem nicht mehr erreicht wurde. Das ist natürlich Stoff für Katastrophen-Meldungen, u.a. hier. Von teuflischen Kreisläufen und Todesspiralen ist zu lesen und hören. Was ist da dran? Ein wärmeres Klima wirkt sich in der Tat in hohen Breiten besonders aus, dort ist die Erwärmung höher als im Mittel des Planeten. Diese Verstärkung der Erwärmung ist physikalisch zu erwarten und gut nachweisbar. Neben natürlichen Erwärmungsphasen trägt auch der Mensch zu dieser Entwicklung bei, es ist eine Folge unserer Zivilisation mit ihrer Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen.

Diese  anthropogene Strahlungswirkung  ist nach den Erkenntnissen des IPCC  seit 1979 (vgl. Abb.5)  linear angestiegen, von ca. 1,4W/m² auf  2,9W/m² global in 2016. Die Auswirkungen auf das Eis sind jedoch nicht linear, wie der dick gezeichnete Graph in  Abb.5 zeigt. Es wirken noch andere Umstände, eine (multi)dekadische interne Variabilität liegt auf der Hand. Und die Abnahme des arktischen Eises beschleunigt sich nicht, eher im Gegenteil, denn wir sahen nach 2012 im September durchweg höhere Extent- Zahlen als 2007. Dabei war man sich doch so sicher mit den Eis-tödlichen Kreisläufen, die doch so einfach klangen: Weniger Eis àmehr Wasser àmehr Sonnenenergie wird aufgenommen statt reflektiertàwärmeres Wasserà weniger Eis. So einfach, wie dieser oft kolportierte  „Eis-Albedo-Effekt“ vermuten lässt, scheint es nicht zu sein.

Auch in diesem September werden wir wohl nicht die Zahlen erreichen, die in  2007 und vor allem in 2012 die Rekorde setzten. Nach einer aktuellen Expertenschätzung könnte es heuer ungefähr so viel Meereis geben in der Arktis wie im letzten Jahr. Wie genau wirkt sich das über das Jahr auf die Arktis aus?

Abb. 6: Der tägliche prozentuale Anteil an Eisausdehnung während der Schmelzsaison und bis zum Jahresende als Abweichung vom Mittelwert der 2000er ab 2010. Datenquelle.

 

Bis Anfang Juli waren noch in jedem Jahr mindestens 90% des Mittelwertes an Eisausdehnung vorhanden. Die starke Schmelze von 2012 danach zeichnet sich gut ab, es war im Minimum um den 15. September herum nur noch 57% des mittleren Extents vorhanden. Ab Anfang Dezember schrumpft die Abweichung dann wieder auf unter 10%. Für das aktuelle Jahr (dick rot) sehen Sie momentan übrigens so viel Eisausdehnung wie seit 2010 nicht mehr, es sind noch 94% des Mittels der 2000er vorhanden, aber diese Feinheiten sind stark wetterabhängig. Anders ist es, wenn man den gesamten Verlust an Eisausdehnung seit dem Maximum der Bedeckung um den 1.4. herum bis zum 20.7. vergleicht:

 

Abb.7: Der prozentuale Verlust bis jeweils zum 20.7. bezogen auf  den Mittelwert der 2000er für die Jahre ab 2007.

 

Auch hier wird deutlich: die Jahre zwischen 2010 und 2013 stechen heraus, besonders 2012 fuhr bis zu dem Stichtag bereits einen Verlust an Extent von mehr als 22% zu viel ein. Das aktuelle Jahr ist in dieser Wertung noch unter dem Mittelwert. Dies widerspricht der „einfachen Logik“ der Einbahnstraße des Eisrückganges  mancher Eiskatastrophen- Propheten. Sollte nach etwa 2000 z.B. die AMO (vgl. unsere Beiträge u.a.  hier) mit einiger Verzögerung als interne Variabilität das Eis schneller hat abnehmen lassen? Dann wäre der lineare Trend durch den anthropogenen Antrieb nur etwa halb so steil wie in Abb. 5 vermerkt, in der Größenordnung wie er sich für  1979 bis 1999 errechnete. Das würde bedeuten, dass sich der Eisrückgang in den nächsten Jahren wieder auf diesen Langzeittrend zurückentwickelt. Dann müsste man auch mit den Vorhersagen einer „eisfreien Sommerarktis“ vorsichtiger sein, das Eis könnte unter Annahme des Fortbestehens des reduzierten linearen Trends noch etwa 100 Jahre auch im August/September Bestand haben, also die minimale Eisausdehnung bei über 1 Mio km² liegen.

Sie merken: das reale Klimasystem ist komplex und es wirken viele Faktoren, auch in der Arktis. Wer da einfache Erklärungen und griffige Katastrophen-Floskeln gebraucht will nicht unbedingt aufklären, sondern Angst schüren. Die ist aber kein guter Ratgeber auch für Sie, liebe Leser.

 

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