Die Nachricht die keine Zeitung im Titel sehen will: Dem deutschen Wald geht es wieder besser

Heute wollen wir uns mit dem Wald beschäftigen und wie sich der Klimawandel wohl darauf auswirken könnte. Der Wald hat die Deutschen bereits in den 1980er Jahren beschäftigt. Man war fest davon überzeugt, dass die letzte Stunde für den Wald geschlagen hätte und unsere grüne Lunge im Sterben liegt. Heute, mit einigen Jahrzehnten Abstand, wissen wir, was von der Hypothese des Waldsterbens zu halten ist. Die Bäume kümmerten sich nicht um die von klugen Köpfen erschaffenen Untergangsmodelle und erholten sich wieder. Zu dieser wenig ruhmreichen Episode der deutschen Wissenschaft gibt es eine ausgezeichnete Arte-Doku, über die der Focus folgendes schrieb:

Es gibt einen englischen Begriff für das typisch deutsche Zaudern. Er heißt German Angst. Nach „Und ewig sterben die Wälder“ kommt die German Hysterie dazu. […] Der Arte-Film von Michael Miersch und Tobias Streck entlarvt die German Hysterie von einst. Und Miersch, Wissenschaftsjournalist bei FOCUS, überführt die eigene Zunft der Panikmache. Es titelte der „Spiegel“ Mitte der 80er mit dem Sterben des Waldes. Wenig später legte der „Stern“ noch sein Schippchen Hysterie drauf. Höchstens drei Jahre würden es die deutschen Bäume noch machen. Dann, so stützte sich das Blatt auf zwei Wissenschaftler von vielen, werde durch den so genannten sauren Regen die letzte Nadel, das letzte Blatt gefallen sein. Und weil die Leser schlechte Nachrichten besonders gern kaufen, legte die Hamburger Zeitschrift nach: Vom „Todeskampf des Waldes“ war zu lesen. Und auch das: „Wenn die Bäume schreien könnten“.

Nachdem sich das 1980er Jahre Konzept des Waldsterbens nicht bewahrheitet hat, erleben wir momentan den nächsten Versuch, dem Wald den Gar auszumachen, diesmal nicht über sauren Regen, sondern über den Klimawandel. Die Webplattform Forschung und Wissen hat den Klimakiller bereits ausgemacht, es sollen die Dürren sein:

Klimawandel gefährdet einen Großteil aller Baumarten. Mit der zunehmenden Dürre, ausgelöst durch den immer fortschreitenden Klimawandel, kommen über 70 Prozent der weltweiten Baumarten nicht zurecht. Als direkte Folge bricht der Wassertransport in den Baumgefäßen ab, was zum Austrocknen und anschließend zum Absterben des Baumes führt.

Zu ärgerlich nur, dass Dürren in den letzten 60 Jahren gar nicht häufiger geworden sind (siehe unseren Blogartikel „Entspannung an der Extremwetterfront: Dürren sind in den letzten 60 Jahren nicht häufiger geworden“).

Ein Forscherteam unter Beteiligung der Universität Ulm setzt noch einen oben drauf. Der Klimawandel à la IPCC mache die Bäume angeblich insgesamt für Trockenheit anfälliger. Die Webplattform Mittelstandswiki.de schreibt, dass trockenheitsbedingtes Waldsterben daher bald auch verstärkt in feuchten Gebieten auftreten wird. Das hört sich so ein bisschen an wie eine Warnung vor Sonnenstich im Winter.

Auch Hannover will nicht auf seinen klimakatastrophalen Baumschaden verzichten. Die HAZ schrieb:

Die Folgen des Klimawandels belasten den Straßenbaumbestand Hannovers. Die gestiegenen Temperaturen begünstigen die Vermehrung von Schädlingen wie Insekten und Pilzen, die die Gesundheit der Bäume gefährden.

Hätte es die HAZ bereits vor tausend Jahren gegeben, dann hätte man sicher einen ähnlichen Artikel im Archiv als Vorlage für diesen Artikel verwenden können.

Die Thüringer Allgemeine hätte im Dezember 2012 eigentlich Grund zum Jubeln gehabt, denn die Thüringer Wälder sind auf dem Wege der Besserung. Der Anteil an geschädigten Bäumen ist um etwa vier Prozent gesunken. Forstminister Jürgen Reinholz ist darüber erfreut, lesen wir in der Zeitung. Dennoch wählte man eine ganz andere Überschrift, wohl um die sensations- und katastrophenlüstere Leserschaft gruselig zu unterhalten:

Thüringer Fichte wird zum Verlierer des weltweiten Klimawandels

Das wollen wir etwas genauer wissen. Was ist denn bloß mit der Fichte los, wenn es jetzt fast allen anderen Bäumen sogar besser als früher geht? Die Thüringer Allgemeine schreibt:

Die Fichte gehört nach der Einschätzung der Landesforstanstalt zu den großen Verlierern des Klimawandels. Neben Veränderungen im Landschaftsbild müsse sich vor allem die Holzindustrie auf starke Umstellungen vorbereiten. Umweltminister Jürgen Reinholz will einen Zusammenhang mit dem viel debattierten Klimawandel ebenfalls nicht ausschließen. 

Und etwas weiter unten:

Fichte: Der Hauptbaum in Thüringen ist vergleichsweise gering geschädigt. Allerdings gehen die Bestände perspektivisch stark zurück. Nur etwa 18 Prozent weisen deutliche Schäden aus. Kurzgehalten wurde auch der Borkenkäfer. Der Befall konnte auf niedrigen Niveau gehalten werden.

Was denn nun? Jetzt heißt es plötzlich, die Fichte sei „vergleichsweise gering geschädigt“. Bezieht sich der perspektivische Rückgang der Fichten allein auf Prognosen unter Zuhilfenahme überzogener IPCC-Erwärmungsprognosen? Zweifel kommen auf, ob die reißerische Überschrift des Artikels gerechtfertigt ist. Was passiert eigentlich, wenn sich diese Erwärmungsvorhersage als total übertrieben herausstellt und sich die Temperaturen auch in den kommenden ein, zwei Jahrzehnten weigern weiter anzusteigen, so wie sie es mittlerweile 15 Jahre lang getan haben? Die thüringische Forstverwaltung scheint fest an die IPCC-Hitzeentwicklung zu glauben. Die Thüringer Allgemeine berichtet:

Etwa 20 Millionen Euro hat die Forstverwaltung in den letzten Jahren in den Waldumbau gesteckt. […] Nicht zuletzt deshalb habe der Thüringer Forst damit begonnen, mediterrane Baumarten anzupflanzen. „Vielleicht finden diese Bäume in 100 Jahren ideale Lebensbedingungen in Thüringen vor“, so der Minister. Doch die Aussaat von trockenheitsresistenten Tannen bleiben noch Einzelfälle.

Die fragwürdige Waldberichterstattung der Thüringer Allgemeinen ist kein Einzelfall, wie ein Beispiel aus Oberhausen zeigt. Auch hier übertitelt die WAZ ihren Artikel mit einer Klimawarnung („Eichen leiden unter Klimawandel“), obwohl die Hauptnachricht ist, dass es dem Wald insgesamt besser geht als vorher. Im Haupttext des WAZ-Beitrags lesen wir:

Situation des Waldes insgesamt leicht verbessert. Aber keine Entwarnung. Den Eichen in städtischen Wäldern geht es schlecht. Sie bleiben im Jahr 2012 die „Sorgenkinder“ von Stadtförsterer Jürgen Halm. Auch bei der Buche gebe es keine Entwarnung. Beide – Eichen und Buchen – machen mehrheitlich den Oberhausener Wald aus. Neben ihnen findet man im hiesigen Forst Ahorn und Birke, vereinzelt tauchen Kiefern auf. Insgesamt zeigt der Waldzustandsbericht 2012, dass sich der Wald in NRW wieder etwas erholt hat. Im Zehn-Jahresvergleich waren die Werte nur 2009 besser. Auch in Oberhausen habe sich die Gesamtsituation nicht verschlechtert, sagt Alexander Höfer, Sprecher der Oberhausener Gebäudemanagement (OGM), die auch für den Waldbestand in der Stadt zuständig ist. Grund zur Entwarnung gebe es aber nicht, meint Höfer: „Wir können zwar einige Erfolge bei der Bekämpfung der Schädlinge verzeichnen, aber das macht die negativen Folgen des Klimawandels nicht wett. Diese Folgen sind noch gar nicht detailliert erfasst.“ Konkrete Zahlen darüber, wie viel Prozent des städtischen Waldes krank sind, gebe es nicht: „Dazu wäre eine so aufwändige Erfassung notwendig, die wir nicht finanzieren können.“

Also: Her mit den Euros und dem lukrativen Zählauftrag. Mit dem Klimawandel ist nicht zu spaßen, da sollte das Geld doch hoffentlich irgendwo aufzutreiben sein. Klimagelder sitzen bekanntlich locker.

Eine aktuelle Studie bestätigte jetzt, was wir sowieso bereits geahnt hatten: Das Anpflanzen von Bäumen in Europa kühlt das Lokalklima, da sie die Luft befeuchten und damit kühlen. Vielleicht sollte man dieses Ergebnis berücksichtigen, wenn mal wieder ein Bergrücken entwaldet wird, um dort eine Batterie Windkraftanlagen aufzubauen.

Morgen springen wir dann über den Atlantik und schauen uns an, was wohl dem Amazonas Regenwald durch den Klimawandel droht.

 

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