Die Klimakrieger: Investigativ-Reporterinnen der ZEIT ziehen in den heiligen Klimakampf

Am vergangenen Wochenende (22.11.2012) erörterte der Leitartikel der Wochenzeitung „Die Zeit“ die schicksalhafte Frage „Wie guter Journalismus überleben kann“. In der Multimediawelt herrscht derzeit bekanntlich ein knallharter Verdrängungskrieg, in dem es vor allem um Schnelligkeit, Auflagen und Werbeeinnahmen geht. Dazu kommt noch die neue Kostenlos-Mentalität: Warum sollte man eigentlich eine Zeitung bezahlen, wenn die meisten Meldungen kostenlos im Internet zu finden sind?

Als ein großer Vorteil des traditionellen Printmediums gilt gemeinhin die Gründlichkeit, mit der Artikel recherchiert werden. Auf hohem qualitativem Niveau kann in nur wenigen Zeilen ein Thema in unterhaltsamer Art und Weise rundumbeleuchtet werden. Dabei muss man den jeweiligen Autoren ein Stück weit vertrauen, denn diese hatten sich ja gründlich Zeit genommen, um den Stoff in alle Richtungen zu recherchieren. So die Überlegung. Für diese sehr nützliche Dienstleistung wird es immer zahlungsbereite Menschen geben.

Da ist es schon ein schlechter Witz, dass sich in die gleiche Ausgabe der Zeit ein Artikel hineingemogelt hat, der unerklärliche Recherchedefizite aufweist und dem es in eklatanter Weise an der notwendigen Ausgewogenheit mangelt. Es geht um den mehrseitigen Artikel „Die Klimakrieger“. Beim Autorenduo Anita Blasberg und Kerstin Kohleberg handelt es sich um zwei Soziologinnen, die laut Lebenslauf noch eine Reihe von weiteren interessanten Fächern in der Universität belegt haben, zu denen jedoch keine einzige Naturwissenschaft gehört. Kohlenberg ist ihres Zeichens stellvertretende Ressortleiterin des Investigativ Ressorts der Zeit. Und in genau dieses Genre fällt auch der besagte Beitrag.

Was ist Investigativer Journalismus eigentlich und was zeichnet ihn aus? Der Boston Globe Watchdog gibt uns eine gute Kurzbeschreibung (Fettsetzung ergänzt):

„Die Hauptaufgaben des Investigativen Journalismus liegt in der Recherche von komplizierten Zusammenhängen auf allen möglichen Ebenen. […] Um im Bereich des Investigativen Journalismus zu arbeiten, muss man fundierte Kenntnisse […] haben. Denn es geht meistens um sehr komplizierte Sachverhalte, die ein großes Grundwissen voraussetzen. […] Auf jeden Fall müssen sie sich sehr gut mit der Materie und dem Themengebiet auskennen, über das sie berichten wollen. Für eine solche Recherche muss man als Journalist auch sehr viel Zeit und Mühe mitbringen. Denn meist handelt es sich um streng gehütete Geheimnisse die sehr gut verdeckt werden. Oft ist es sehr schwer, auf die richtige Spur zu kommen.

Das Zeit Online Blog „Carta“ ergänzt:

Fact-Checking: Das Überprüfen von Informationen spielt im investigativen Journalismus eine wichtige Rolle, weil die zu verarbeitenden Informationen hier in der Regel umfangreicher sind und Fehler schwere rechtliche und finanzielle Folgen nach sich ziehen können. Der neue dpa-Chef Wolfgang Büchner hat nun ein neues Regelwerk für seine Redaktion eingeführt, das der Blogger Stefan Niggemeier exklusiv veröffentlichte.

Und bei Stefan Niggemeier lesen wir dann über eben diese dpa-Richtlinien:

Informationen, die der dpa angeboten werden, SOLLEN immer überprüft werden. Wenn es sich um sensible oder überraschende Informationen handelt, MÜSSEN sie ausnahmslos überprüft werden. […] Wenn wir ein Thema für meldungswürdig halten, müssen wir in der Regel auch die Zeit für Prüfung/Nachrecherche investieren, womit ja kein schlichtes Verifizieren der Echtheit des Absenders gemeint ist, sondern die Recherche weiterer Informationen, Details, Zitate. Wenn der Preis dafür weniger und dafür bessere Meldungen sind, sollten wir diesen Preis zahlen.

Das ist also ein ganz schön anstrengendes Geschäft, dieser Investigative Journalismus. Man kann offensichtlich nicht einfach so schreiben, was einem ein Informant mitgeteilt hat, sondern man muss Zeit und Geld investieren, um Aussagen und Fakten zu checken. Und dazu muss man von der Materie auch noch richtig Ahnung haben. Kompliziert und vielschichtig sind die Zusammenhänge im Investigativen Journalismus, heißt es.

Schauen wir also einmal in den Artikel „Die Klimakrieger“ hinein. Schon der Titel gibt die Stoßrichtung vor: Da gibt es wohl einige skrupellose Menschen, die für Geld die klimatische Unwahrheit verbreiten, entgegen dem angeblichen wissenschaftlichen Konsens. Im Artikel selber werden dann Namen und Summen genannt, die in fragwürdiger Art und Weise geflossen sein sollen. Das sind die Bösen.

Zu den „Guten“ soll der amerikanische Klimaforscher Michael Mann gehören, der Ende der 1990er Jahre im Rahmen seiner Doktorarbeit die berühmt-berüchtigte Hockeyschlägerkurve produziert hat. Mit dieser Temperaturkurve versuchte Mann zu belegen, dass die Temperatur in vorindustrieller Zeit stets monoton auf einem niedrigen Niveau dahinvegetiert hat und erst ab 1850 im Zuge der verstärkten Verfeuerung fossiler Brennstoffe und der CO2-Anreicherung in der Atmosphäre angestiegen wäre.

Die beiden investigativen Zeit Autorinnen Anita Blasberg und Kerstin Kohlenberg verwenden die Hockeyschlägerkurve als Kronzeugen der menschlichen Klimaschuld. Sie schreiben in ihrem Artikel:

„Der Hockeyschläger ist der Beweis für die Schuld des Menschen am Klimawandel“

Allerdings gibt es ein Problem mit diesem „Beweis“, das den beiden Soziologinnen bei ihren „zeitintensiven und mühsamen“ Recherchen offenbar entgangen ist. Die Hockeyschlägerkurve von Mann et al. (1998, 1999) wurde nämlich mittlerweile durch neuere Kurven ersetzt und gilt gar nicht mehr. Der monotone vorindustrielle Temperaturverlauf hat sich als wissenschaftliche Fehlinterpretation entpuppt. Sogar Michael Mann selbst musste dies später einsehen und hat die Kurve 2008 in einem neuen Artikel korrigiert. Plötzlich war die Mittelalterliche Wärmeperiode vor 1000 Jahren wieder aufgetaucht, und auch die Kälte der Kleinen Eiszeit Mitte des letzten Jahrtausends war wieder da. Ähnliches fand die Gruppe des Klimaforschers Fredrik Ljungqvist von der Universität Stockholm (z.B. Ljungqvist et al. 2012).

Offensichtlich gab es auch vor dem anthropogenen CO2-Anstieg eine natürliche Temperaturdynamik, bei der ähnliche Temperatursprünge auftraten, wie in den letzten 150 Jahren. Hier mangelte es den beiden Zeit-Autorinnen offensichtlich an fundierten Fachkenntnissen, so dass sie auf die falsche Spur gerieten. Vieles deutet mittlerweile darauf hin, dass die Erwärmung der letzten 150 Jahre und die sehr hohe Sonnenaktivität der letzten Jahrzehnte nicht rein zufällig zusammenfielen.

Ähnlich sieht es bei anderen „Beweisen“ aus, die im Investigativ-Artikel zitiert werden:

Die Daten sind eindeutig: Die globale Erwärmung ist nur noch mit großer Anstrengung zu bremsen. Der Temperaturanstieg erhöht die Gefahr starker Stürme. Dürren und Überschwemmungen werden häufiger. Gletscher und Polkappen schmelzen. Der Meeresspiegel steigt. Das ist es, was die Wissenschaftler in ihre Berichte schreiben.

Dies hat den Autoren vermutlich einer der aus Funk und Fernsehen bekannten Klimakatastrophisten in den Block diktiert, und so landete es dann auch ungeprüft im Zeit-Artikel. Schade, denn mit ein bisschen Mühe und fundierteren Kenntnissen wäre schnell klargeworden, dass auch diese angeblichen „Beweise“ alles andere als „eindeutig“ sind. Zunächst blenden Blasberg und Kohlenberg komplett aus, dass es seit nunmehr 16 Jahren gar nicht mehr wärmer geworden ist. Hätte dieser wichtige Umstand als Kontext nicht erwähnt werden müssen (und nicht nur als beiläufiges Zitat von Fritz Vahrenholt im hinteren Teil des Artikels)? Zudem scheinen weder Hurrikane noch Stürme in unseren Breiten häufiger zu werden. Im Gegenteil, Stürme in Mitteleuropa häuften sich stets, wenn es kälter war, also während der Kleinen Eiszeit (siehe z.B. hier oder hier). Eine krasse Fehlinformation im Zeit-Artikel, die beim Fact-Checking ganz offensichtlich übersehen wurde.

Weiterhin gibt es keine wissenschaftlich belastbaren Hinweise darauf, dass Dürren oder Überschwemmungen in letzter Zeit häufiger geworden wären. Der Meeresspiegel steigt – richtig. Aber das tut er bereits die letzten 10.000 Jahre, seit dem Ende der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel 150m tiefer lag als heute. Gletscher und Polkappen schmelzen, auch das ist nichts Ungewöhnliches. Denn genau dies passierte bereits während den vorangegangenen Wärmeperioden, die sich im Laufe der Nacheiszeit im Millenniumstakt zuverlässig wiederholt haben. Auf der Suche nach dem Verborgenen hätte den beiden Investigativ-Journalistinnen eigentlich auffallen müssen, dass der ostantarktische Eisschild derzeit an Masse sogar zulegt, die Himalaya-Gletscher stabil geblieben sind und das antarktische Meereis diesen Südwinter die größte Ausdehnung der gesamten Messgeschichte des Satellitenzeitalters besessen hat.

Unser Faktencheck fällt bitter aus: Die wissenschaftliche Grundlage des Zeit-Beitrags ist löchrig wie ein Schweizer Käse, unausgewogen und teilweise sogar fehlerhaft. Sämtliche hierauf beruhenden Ableitungen sind konsequenterweise äußerst fragwürdig. Ist es daher wirklich so verwerflich, wenn sich der Amerikaner Marc Morano unermüdlich in zahlreichen Veranstaltungen und Blogbeiträgen dafür einsetzt, einen kühlen Kopf in der überhitzten Klimadiskussion zu behalten und die natürlichen Klimafaktoren stärker zu berücksichtigen? Könnte es nicht in der Tat so sein, dass an entscheidenden Stellen der offiziellen Wissenschaft die Ergebnisoffenheit verloren gegangen ist, da frühere übertriebene Prognosen kaum mehr ohne Gesichts- und Fördermittelverlust zurückzunehmen sind? Wären in einem solchen Fall die Beiträge von Morano und anderen Klimarealisten nicht sogar zu begrüßen?

Marc Moranos Aktivitäten werden von den beiden Soziologinnen als verwerflicher, geldgetriebener Lobbyismus dargestellt. Dabei verlieren die beiden Autorinnen kein Wort darüber, dass Al Gore seit vielen Jahren eine viel intensivere Vortrags- und Film-Kampagne im Zeichen des Klimaalarmismus betreibt. Mit einem Unterschied: Al Gores Kampagnen-Budget beträgt ein Vielfaches von Marc Morano. Zudem scheint Gore an seinen Aktivitäten prächtig zu verdienen (siehe z.B. unseren Blogbeitrag „Al Gore und sein Generation Investment Fonds“). Der offensichtliche Interessenskonflikt wird in der Zeit nicht thematisiert. Auch Michael Mann ist Teil des Klimagetriebes. Er bekommt vom Steuerzahler ein gutes Gehalt sowie üppige Forschungsgelder. Dagegen nehmen sich Unterstützungen für die klimarealistische Seite eher mickrig aus. Die unbequeme Wahrheit ist, dass fast alle klimaskeptisch denkenden und mitdiskutierenden Akteure neben Ihrem Job einen nicht zu geringen Teil Ihrer Freizeit opfern und kräftig finanziell dazubuttern. Wie ist es zu verstehen, wenn die klimaalarmistische Seite auf Staatskosten munter von Konferenz zu Konferenz reist, sich ein klimaskeptischer australischer Geologe aber für einen Fahrtkostenzuschuss zu einem Vortrag rechtfertigen muss? Deutet dies nicht vielmehr darauf hin, dass derzeit viel zu wenig Fördergelder in die Erforschung natürlicher Klimafaktoren fließen? Können sich Blas- und Kohlenberg überhaupt nicht vorstellen, dass die entsprechenden Klimarealisten aus wissenschaftlicher Überzeugung handeln, muss es immer um Geld gehen, um simplistische Verschwörungstheorien zu nähren? Der Zeit-Beitrag scheitert kläglich bei der Analyse der „komplizierten Zusammenhänge auf allen möglichen Ebenen“.

Der Beitrag „Die Klimakrieger“ ist ein trauriges Beispiel für fehlende Nachrecherche im investigativem Journalismus. Durch mangelnde fundierte Fachkenntnisse haben sich eklatante Ungenauigkeiten und Fehler in die Argumentationsgrundlage eingeschlichen, durch die der wissenschaftsfreie Artikel sehr schnell auf die falsche Spur gerät. Das ist sehr schade und unnötig. Was ist bloß los bei Deutschlands wichtigster Wochenzeitung?

 

Mit Dank an Michal Limburg für Recherchehilfen.
Siehe auch Beiträge auf EIKE und Notrickszone (hier und hier).

 

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