Deutsche Naturgefahrenbilanz 2017 fällt mit 2 Milliarden Euro Versicherungsleistung erneut unterdurchschnittlich aus

Vor einigen Jahren machten Versicherungen ungeniert Werbung für ihre Produkte, indem sie in der Bevölkerung Angst vor Extrenwetter schürten. Die Medien stellten sich nur allzugerne als Partner zur Verfügung, da bekanntlich vor allem schlechte Nachrichten Quote bringen. In der Folge gab es Kritik. Handelt es sich nicht eigentlich um einen klassischen Interessenskonflikt? Versicherungen legen Studien zum Extremwetter vor, die dann die Leute zum Abschluss neuer Policen ermuntern sollen? In den letzten Jahren wurde es etwas leiser. Das Geschäftsmodell war enttarnt, man musste seine Akquisestrategie ändern.

Ein zusätzliches Problem für die Versicherungen war wohl, dass die Schäden durch Naturkatastrophen in den Vorjahren dramatisch eingebrochen sind (siehe hier, hier, hier). Wie sollte man seine potentiellen Klienten in Angst halten, wenn die Schäden rückläufig waren? Nun hat es also endlich geklappt. „Endlich“ gab es 2017 wieder eine neue Rekordschadenssumme zu berichten. Bayerischer Rundfunk am 4. Januar 2018:

Rekordschäden durch Naturkatastrophen 2017
Die Branche muss aufgrund zahlreicher Naturkatastrophen Rekordsummen ausbezahlen. Das zeigt der entsprechende Jahresbericht des weltweit größten Rückversicherers, der Munich Re. 2017 war demnach das bisher teuerste Naturkatastrophenjahr für die Branche. Die Versicherungsbranche hat ein teures Jahr hinter sich. Sie muss umgerechnet mehr als 112 Milliarden Euro für Schäden durch Naturkatastrophen aufbringen, soviel wie noch nie. Das ist allerdings nur die Summe für Schäden, die durch Versicherungen gedeckt sind. Die Gesamtschäden waren im vergangenen Jahr deutlich höher, sie beliefen sich auf umgerechnet 275 Milliarden Euro (330 Milliarden Dollar). Dabei sah es bis zur Jahresmitte eigentlich noch relativ ruhig aus, doch dann wurden die USA und die Karibik gleich von drei mächtigen Wirbelstürmen heimgesucht.

Weiterlesen beim Bayerischen Rundfunk

Drei Wirbelstürme trieben die Kosten in die Höhe. Trotzdem bewegt sich die Wirbelsturmaktivität noch voll und ganz im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite. Am Ende des BR-Beitrags wird noch auf gestiegene Versicherungsprämien in den Gefahrengebieten verwiesen. Da klackern die Dollars in der Kasse. Was aber in der Zusammenfassung fehlt, ist die Diskussion der gestiegenen Versicherungswerte. Wie hat sich die Anzahl der Verträge verändert? Ist die Zahl der Versicherten gestiegen? Dann wäre eine Zunahme der Schadenssumme nur logisch. Ein unbequemer Punkt, der an dieser Stelle vom BR verschwiegen wird. Das hat vermutlich gute Gründe, denn Roger Pielke Jr. fand heraus, dass der Anstieg der globalen Extremwetterversicherungsschäden fast vollständig auf sozioökonomischen Gründen basiert.

Die Versicherungsindustrie will sich trotzdem gerne als Klimawandelopfer präsentieren, formuliert daher bewusst nebulös. Taz vom 4.1.2018:

Der weltgrößte Rückversicherer [Munich Re] sieht in den Naturkatastrophendaten zwar keinen Beweis, aber doch starke Indizien für die Auswirkungen des Klimawandels. 

Wenn man die Schäden durch das Bruttoszialprodukt normiert, löst sich der neue Rekord schnell in Luft auf, wie Roger Pielke Jr. nachrechnete. Insgesamt ist der normierte Schadenstrend während der vergangenen knapp 30 Jahre sogar rückläufig.

 

In der Überschrift des taz-Artikels wird den deutschen Lesern ein schöner Schrecken eingejagt:

Auch in Deutschland häufen sich die Klimaschäden.

Im Artikel selber lesen wir dann aber etwas ganz anderes:

In Deutschland waren Naturereignisse wie Stürme, Hagel und Starkregen 2017 für unterdurchschnittliche Schäden von 2 Milliarden Euro verantwortlich. Dies hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ausgerechnet. Laut GDV wüteten im vergangenen Jahr nur wenige, regional begrenzte Unwetter.

Wie bitte? Das wollen wir genauer wissen und schauen uns die Originalpressemitteilung des GDV vom 27. Dezember 2017 an:

Naturgefahrenbilanz 2017:
Versicherer leisten 2 Milliarden Euro für Sturm- und Starkregenschäden

Im Jahr 2017 haben Naturereignisse wie Stürme, Hagel und Starkregen in Deutschland versicherte Sachschäden an Häusern, Hausrat, Gewerbe- und Industriebetrieben von 2 Milliarden Euro verursacht. Allein auf die Unwetterserie zwischen Ende Juni und Anfang Juli mit „Paul“ und „Rasmund“ entfallen Sachschäden von rund 300 Millionen Euro. Die Starkregenschäden in Berlin und Brandenburg schlagen mit 60 Millionen Euro zu Buche. Das geht aus vorläufigen Zahlen hervor, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jetzt veröffentlicht hat. Nicht darin enthalten sind Schäden an Kraftfahrzeugen, da diese Zahlen noch nicht vorliegen.

Wie bereits im Jahr 2016 fällt die Naturgefahrenbilanz 2017 mit erneut 2 Milliarden Euro Versicherungsleistung unterdurchschnittlich aus: Es wüteten nur wenige, regional begrenzte Unwetter. Schon diese Wetterlagen können hohe Schäden verursachen; große Naturkatastrophen blieben 2017 allerdings aus.

200 Liter Regen je Quadratmeter in 24 Stunden

„Regionale Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen innerhalb kürzester Zeit sind inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr“, sagt GDV-Präsident Wolfgang Weiler. Allein in Berlin und Brandenburg waren Ende Juni innerhalb von 24 Stunden über 200 Liter Regen auf einen Quadratmeter gefallen. Zum Vergleich: Deutschlandweit sind es im Schnitt im ganzen Jahr knapp 800 Liter pro Quadratmeter. „Die Folgen von Starkregen können jeden treffen“, so Weiler. „Erst nach solchen Unwetter wird vielen klar, dass ihr Versicherungsschutz nicht ausreicht“.

Naturgefahren richtig versichern

Durch eine erweiterte Naturgefahrenversicherung, die als Zusatzbaustein zur Wohngebäude- und Hausratversicherung abgeschlossen werden kann, sind Überschwemmungsschäden abgedeckt. Für 99 Prozent der Gebäude in Deutschland ist der Abschluss einer solchen Police problemlos möglich. Dennoch haben sich bundesweit bislang nur etwa 40 Prozent der Hausbesitzer für diesen Vollkaskoschutz für ihr Haus entschieden.

Der Werbeblock am Ende war wohl unvermeidlich. Zur Pressemitteilung gehören aber auch die beiden folgenden informativen Graphiken:

 

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