Natürliche Variabilität der Ozeanversauerung: Zyklik statt monotonem Trend?

In unserer kleinen Serie zur Ozeanversauerung wollen wir heute die natürliche Variabilität in den Weltozeanen näher anschauen. Besitzt das Ozeanwasser in allen Gebieten der Erde und allen Tiefen den gleichen pH-Wert oder gibt es Unterschiede? Wie hat sich der pH-Wert des Meerwassers über die Zeit entwickelt, wie robust ist die geschichtliche Datenlage? Mithilfe eines dichten Messnetzes kann man heute für genau definierte Zeitpunkte und Zeitfenster pH-Karten für die Weltozeane erstellen (Abbildung 1). Dabei variiert der pH-Wert in den verschiedenen Gebieten zwischen 8,4 und 7,7.

Abbildung 1: pH-Wert des oberflächlichen Ozeanwassers im Februar 2005. Aus Takahashi et al. 2014.

 

Zusätzlich gibt es Veränderungen des pH-Werts mit der Tiefe (Abbildung 2). Dabei nimmt der ph-Wert in der Regel mit der Tiefe ab. Ab einer bestimmten Tiefe, der Calcit-Kompensationstiefe (CCD), beginnt sich Kalk aufzulösen. Wikipedia erläutert:

Die Calcit- und Aragonit-Kompensationstiefe bezeichnet eine Tiefenlinie im Meer, unterhalb derer sich Kalk in Form von Calcit und Aragonit vollständig auflöst. Ursache ist die Zunahme der Kohlendioxidkonzentration im Wasser mit zunehmender Meerestiefe. Für Calcit liegt diese Linie zwischen 3.500 und 5.000 m, für Aragonit zwischen 3.000 und 3.500 m. Die Anlösung beginnt bereits unterhalb der Lysokline, die etwa 300 bis 800 m oberhalb der Calcit-Kompensationslinie liegt.

Zudem spielt auch die geographische Breite eine Rolle (Abbildung 2).

Abbildung 2: Trends des Meerwasser pH-Werts entlang eines Tiefenprofils entlang eines Längengrads. Von Willis Eschenbach / WUWT.

 

Es gibt also ein gehöriges Maß an pH-Variabilität sowohl in der Fläche, als auch in Abhängigkeit von der Wassertiefe. Zusätzlich existieren noch zeitliche Veränderungen. Da wären zum einen zyklische saisonale Änderungen Sommer / Winter bzw. noch höherfrequentere, wie ein Forscherteam um Gretchen Hofmann im Dezember 2011 in PLoS ONE dokumentierte (Auszug aus der Kurzfassung):

High-Frequency Dynamics of Ocean pH: A Multi-Ecosystem Comparison
These observations reveal a continuum of month-long pH variability with standard deviations from 0.004 to 0.277 and ranges spanning 0.024 to 1.430 pH units. The nature of the observed variability was also highly site-dependent, with characteristic diel, semi-diurnal, and stochastic patterns of varying amplitudes. These biome-specific pH signatures disclose current levels of exposure to both high and low dissolved CO2, often demonstrating that resident organisms are already experiencing pH regimes that are not predicted until 2100.

Auch das Wall Street Journal wies am 7. Januar 2012 auf die hohe natürliche Variabilität hin:

Last month scientists at San Diego’s Scripps Institution of Oceanography and other authors published a study showing how much the pH level (measuring alkalinity versus acidity) varies naturally between parts of the ocean and at different times of the day, month and year. „On both a monthly and annual scale, even the most stable open ocean sites see pH changes many times larger than the annual rate of acidification,“ say the authors of the study, adding that because good instruments to measure ocean pH have only recently been deployed, „this variation has been under-appreciated.“ Over coral reefs, the pH decline between dusk and dawn is almost half as much as the decrease in average pH expected over the next 100 years. The noise is greater than the signal. Another recent study, by scientists from the U.K., Hawaii and Massachusetts, concluded that „marine and freshwater assemblages have always experienced variable pH conditions,“ and that „in many freshwater lakes, pH changes that are orders of magnitude greater than those projected for the 22nd-century oceans can occur over periods of hours.“

Gemessen wurde in den letzten zwei Jahrzehnten aber auch ein längerfristiger Trend, nämlich eine leichte Abnahme des pH-Wertes (Abbildung 3). Dies ist die Basis des Versauerungsszenarios. In der Fortschreibung des über 2-3 Jahrzehnte beobachteten Versauerungstrends bis 2100 werden durchschnittliche pH-Werte um 7,8 erwartet (Abbildung 4), die bereits heute in Teilbereichen des Ozeans existieren (Abbildung 1).

Abbildung 3. Entwicklung der gelösten CO2-Konzentration (blau) sowie des pH-Werts (grün) im Meerwasser. Quelle: IPCC AR5.

 

Abbildung 4: IPCC-Prognose zur weiteren pH-Entwicklung in den Weltozeanen. Quelle: IPCC AR5.

 

Nun hat es kurz vor Weihnachten 2014 in der Blogosphäre eine heftige Diskussion gegeben, ob der seit 1990 festgestellte Versauerungstrend überhaupt belastbar ist. Konkret: Ist der pH-Wert seit Beginn der Industrialisierung 1850 und dem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration stets gefallen, ist das Meerwasser in den letzten 150 Jahren fortwährend saurer geworden? Nur unter dieser Voraussetzung dürfte man eine Extrapolation bis 2100 überhaupt wagen. Gretchenfrage: Wie sehen die pH-Werte vor 1988 aus und weshalb werden sie vom IPCC nicht dargestellt?

Der Hydrologe Mike Wallace wollte es genauer wissen und begab sich auf Datensuche. Zunächst wandte er sich an IPCC-nahe Fachwissenschaftler, die sich jedoch zugeknöpft gaben. Ihm wurde angedeutet, er wäre nicht berechtigt, derlei kritische Nachfragen zu stellen, und man vermutete sogleich, Wallace wäre von unlauteren klimaleugnerischen Motiven getrieben. Also begab sich der Hydrologe selbst auf die Suche und wühlte sich durch die verschiedensten Online-Datenbanken. In der World Ocean Database der NOAA wurde er schließlich fündig. Zu seiner Überraschung gestaltete sich die pH-Entwicklung von 1910 bis 1987 laut den vorliegenden Daten alles andere als simpel und linear. In der Kurve sind mögliche Ozeanzyklen zu erkennen, inklusive Phasen in denen sich der pH-Wert über mehrere Jahrzehnte erhöht hat (Abbildung 5).

Wallace fragte daraufhin einen IPCC-nahen NOAA-Fachwissenschaftler, weshalb diese frühen Daten totgeschwiegen wurden. In der Antwort heißt es, die Daten würden „nicht die benötigte Qualität besitzen“.

 

Abbildung 5: pH-Entwicklung des Ozeanwassers laut NOAA-World Ocean Database. Abbildungsquelle: Mike Wallace.

 

An dieser Stelle wollen nun unseren Schiedsrichterhut aufsetzen, denn die Sachlage ist alles andere als eindeutig. Einerseits erscheint es plausibel, dass die Qualität und Quantität der pH-Messdaten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich schlechter und möglicherweise sogar unbrauchbar ist, um sie mit den hochauflösenden modernen Daten zu vergleichen. Angesichts der starken natürlichen Variabilität in den Meeren können vereinzelte Zufallsmesswerte nicht den Anspruch haben, unbedingt für das gesamte Ozeansystem repräsentativ zu sein. In den WUWT-Kommentaren zur Diskussion hat Ferdinand Engelbeen diese Bedenken recht überzeugend herausgearbeitet:

I have the impression that this is the same kind of discussion as for the pre-Mauna Loa CO2 data compiled by the late Ernst Beck: non-accurate instruments (some were accurate to +/- 150 ppmv…), wrong places where was measured and data for the same year all over the scale… Further the influence of CO2 on pH is very small: In Hawaii a drop of 0.05 pH unit with a (mainly seasonal) variability of 0.05 pH unit for an increase of 45 ppmv CO2 in the atmosphere (Bermuda has a double seasonal amplitude). That is about 40% of the total CO2 increase since the start of the industrial revolution. The next problem I see is that the pH is variable from place to place, even in the open oceans far away from the coasts, depending of uptake and release of CO2, downwelling and upwelling, temperature and biolife…. There is a 0.5 pH unit difference (and more), depending where you measure and in what season. Thus I don’t think that he historical data have much value, as one need a series of data with very high accuracy (better than 0.01 pH unit) at the same place at high (at least monthly) frequency over many years to have a clear picture of any pH trends. […] Roy, I doubt that the pre-1985 data have any value if they were taken with glass electrodes (+/-0.1 pH unit), different places and different seasons. We are searching for a (theoretical) trend of about -0.1 pH unit over the first 100 years of human emissions… […] I agree on that point: pH measurements with glass electrodes may have been accurate to 0.1 pH unit in the early days, while we are looking for a trend of 0.1 pH unit over (the first) 100 years of human emissions. Thus I fear that most of the 2 million historical data simply can’t show the real trend in pH of the oceans…

Kann man durchaus so sehen. Allerdings gibt es auch einige interessante systematische Zappler im alten Teil der pH-Kurve, die möglicherweise mehr als Rauschen darstellen. Ob vielleicht doch die Ozeanzyklen hier mit am Werke sind? Passend hierzu erschien vor wenigen Tagen am 29. Dezember 2014 im Journal of Geophysical Research eine Arbeit eines Wissenschaftlerteams um Vinu Valsala vom Indian Institute of Tropical Meteorology. Die Forscher beschreiben in ihrer Studie die CO2-Flüsse zwischen Atmosphäre und dem Meerwasser im äquatorialen Pazifik. Dabei fanden sie eine starke Abhängigkeit von der Pazifisch Dekadischen Oszillation (PDO) mit einer positiven Phase in den 1960er Jahren, einer negativen in den 1980ern und wiederum einer positiven in den 2000ern. Hier ein Auszug aus der Kurzfassung:

Spatiotemporal characteristics of seasonal to multidecadal variability of pCO2 and air-sea CO2 fluxes in the equatorial Pacific Ocean
[…] A multi-decadal variability in the equatorial Pacific sea-air CO2 fluxes and pCO2 exhibits a positive phase during the 1960s, a negative phase during the 1980s, and then positive again by the 2000s. Within the ocean, the dissolved inorganic carbon (DIC) anomalies are traceable to the northern Pacific via thermocline pathways at decadal timescales. The multi-decadal variability of equatorial Pacific CO2 fluxes and pCO2 are determined by the phases of the PDO and the corresponding scale of the El Niño-Modoki variability, whereas canonical El Niño’s contribution is to mainly determine the variability at interannual timescales.

Ist es unter diesem Hintergrund wirklich so abwegig, dass in der pH-Entwicklung der Ozeane nicht auch Ozeanzyklen von 60 Jahren Zyklenlänge enthalten sein könnten? Die offiziellen Messwerte des IPCC beginnen 1988, umfassen also lediglich 26 Jahre, was nur etwa einem halben PDO-/AMO-Zyklus entspricht und nicht einmal die Anforderungen der Klimadefinition von mindestens 30 Jahren erfüllt.

 

Teilen: